20.02.2013
Fünfzehn Mal am Tag - Afrikanisches Immunsystem -
Saint-Louis Blooze
Seit vier Tagen bin ich wieder in Deutschland und nur die in Afrika erworbene Widerstandskraft schützt mich gegen die akute Grippewelle(sagen die Afrikaner, die ich angerufen habe). Alle, aber auch alle liegen darnieder, inklusive meiner Frau Sabine. Ich wasche mir fünfzehn Mal am Tag die Hände und hoffe auf das Beste.
Wie immer komme ich aus Afrika mit viel Energie zurück; ich stehe einfach auf Kommunikation, je direkter desto besser, und die schon mehrfach beschriebene orale Kultur der Afrikaner ist, wenn man sie in Europa richtig anwendet, erstaunlich effektiv, ganz abgesehen davon, dass sie schnell ist und Spaß macht. Ich habe mir vorgenommen, diese Seite der Kommunikation zu stärken, selbstverständlich ohne auf diesen Blog oder Emails zu verzichten.
Dominik Seidler vom Deutschen Musikrat führt einen heldenhaften Kampf um die Bezuschussung der Afrika-Tournee mit den entsprechenden Stellen. Dabei stoßen wir überall, beim Goethe-Institut und beim Auswärtigen Amt auf Wohlwollen und Verständnis, aber der Teufel steckt wie so oft im Detail. Afrikanische Wirklichkeit in Excel-Tabellen abzubilden ist eben eine besondere Kunst, aber ich bin sicher, das wird uns auch noch gelingen. Täglich maile und telefoniere ich mit Afrika, besonders mit Prof. Jeismann vom Goethe-Institut und unserem Tourmanager Balde, der sich immer mehr als Glücksgriff entpuppt und alles, was geht, möglich macht. Ich denke, wir sind ganz gut aufgestellt, und das läßt mich trotz der sicherlich zu erwartenden Probleme und Änderungen vor Ort ruhig schlafen. Eigentlich unglaublich, was wir in den drei Wochen in Afrika erreicht haben, im Nachhinein war das ganz schön gewagt, was wir uns so vorgenommen haben. Aber wenn das jetzt klappt, dann wird es etwas ganz Besonderes! Inzwischen habe ich eine ungefähre Idee von Darstellung und Klang der Musik, die wir aufführen werden, und das Gute dabei ist, es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe! Gestern habe ich meinen Freund, den großen afrikanischen Schlagzeuger Mokthar Samba angerufen und ihn gefragt, wo ich denn Gnawa-Musik erleben könnte. Dazu ist zu sagen, dass die Gnawa seit Jahrhunderten sich zwischen Guinea (daher Gnawa) und Marroko hin-und herbewegen und ich, als ich sie zum ersten Mal gehört habe, sogleich dachte: Hier ist ein Ursprung des Jazz, 12er und 6er Rhythmen, die zweifellos in den Swing geführt haben. Gnawa spielen oft mit den doppelten Löffeln aus Metall, und wer das kennt, weiß, wovon ich schreibe. Diese Transformation der Sechs in die Vier ist wirklich ein großes Geheimnis, und ich möchte das in der Musik unserer Afrikareise darstellen.
Na, Mokthar sagte gleich: Essaouira, die etwas nördlich von Agadir gelegene Stadt am Meer in Marokko, da sind viele und auch die besten Gnawa, er kennt natürlich einige. Um die Musik für den Mai zu schreiben - ich muss doch viel mehr selbst komponieren, als ich ursprünglich dachte - hatte ich mir überlegt, einige Tage an der Schnittstelle zwischen Schwarz und Weiß in Klausur zu gehen und abends Gnawa-Musik zu hören. Nun wird es halt Essaouira und die Tickets habe ich schon. Gerade läuft die Freundes-Maschine an und ich hoffe, die richtigen Telefonnummern und Adressen in Essaouira zu bekommen, sonst fahre ich eben so hin.
Am Wochenende habe ich zum ersten Mal "Saint-Louis Blooze", Djiby Diabates und meine erste CD in den Händen gehabt, die wir am 19. März mit einem Konzert im Stadtgarten vorstellen werden. Mir gefällt sie wirklich gut - was keinesfalls den Normalfall darstellt, Musiker wissen, wovon ich spreche! - und die erste Reaktion eines geschätzten Kollegen war: "Tolles Zusammenspiel, sehr schöne Platte!" Na, das macht Mut, und ich hoffe, auch Euch gefällt diese Musik und ihr kommt vielleicht sogar zum Konzert!