01.02.2013
Unbefleckte Empfängnis
Gestern Abend hatte ich noch mit Ablaye Sissoko telefoniert, der im Moment in Paris ist. Er kommt am 5.2. nach Dakar und ich werde ihn voraussichtlich dort treffen, um ihn zu der Sitzung der Programmkommission zu begleiten.
Bin ich eigentlich noch Musiker? Zahlen, Verhandlungen, Besichtigungen, Konferenzen.... Gottseidank lassen die Taxifahrer alle recht laute Musik laufen, sodass ich nicht ganz den Kontakt zu meinem gewählten Beruf verliere. Aber ich will nicht klagen, ich mach's ja freiwillig; na gut, ein wenig jammern hilft meiner Psyche, hoffentlich.
Morgen geht's nach Nouakchott, das ist ziemlich kompliziert, ich muss ein Taxi bis Rosso nehmen, dann mit der Fähre über den Senegalfluss schippern, die schwierige Grenze nach Mauretanien überwinden (meine Freunde in Saint - Louis nennen sie "degeulasse", und raten mir, bloß kein Bargeld sehen zu lassen), um dann ein weiteres Taxi zu finden, das mich bis Nouakchott bringt. Aly Ndao, der Gitarrist und Manager von Maalouma, hat mich telefonisch mit seinem Cousin in Verbindung gebracht, der wiederum mir versicherte, dass morgen ein Bekannter von ihm in Rosso auf mich warten würde, um mir den Grenzübergang zu erleichtern. Da ich ein vertrauensseliger Mensch bin, werde ich ruhig und voller Hoffnung morgen losfahren, wir werden ja dann sehen....
Ganz früh war ich im Institut Francais, leider ist es mir nicht gelungen, mit der Leiterin Kontakt aufzunehmen, da sie in einer Konferenz war und mich leider nicht zurückgerufen hat; schade, denn eigentlich wollte ich mit ihr zusammenarbeiten, aber es geht auch so, außerdem wer weiß, wozu es gut ist.
Als ich vor einem Jahr nur einen einzigen Tag in Saint-Louis war, habe ich die Sängerin Louise und ihren Mann Matthias, einen Gitarristen, kennengelernt, wir haben ein wenig gejammt. Aus irgendeinem Grund hat mich Louise als ihren "Vater" auserkoren, ihre Familie hatte nichts dagegen. Ihren sechsmonatigen Sohn hat sie nach seinem Großvater(also mir) benannt, so geht das hier. Heute hab ich das Paar besucht und mir ihr selbstgebautes "Recording Studio" angesehen, da schick ich Euch hin, liebe BujazzOs, das ist Reality pur.....Übrigens, wenn ihr irgend etwas übrig habt, ein altes Mikro, Kabel, Saiten, alte Effekte, was auch immer, bitte packt es ein, wenn wir kommen, hier wird alles, aber auch alles gebraucht. Natürlich bin ich, sind wir Europäer alle reich im Vergleich zu den hier lebenden Musikern und ich unterstütze sie hin und wieder. Vor einigen Monaten kam ein Anruf von Louise, in dem sie mir erklärte, es sei gerade Ziegenfest, und sie habe keine Ziege...Naja, ich hab auch keine, aber ich brauch ja auch keine, war eh klar, was gemeint war. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, nichts mehr zu spenden in Europa, sondern ich gebe die Geldbeträge, die ich mir leisten kann, lieber direkt an meine Freunde hier weiter, wenn ich reise, das macht meiner Meinung nach am meisten Sinn, und wenn's die Leute nur satt macht. So Leute, jetzt gönne ich mir noch einen Spaziergang am Strand und packe dann meine Siebensachen. Morgen dann ein Bericht aus Nouakchott, in'ch Allah!
25.01.2013
Modern Life
Heute morgen nun sollte ich aufbrechen zu meiner Reise nach Westafrika. Anfang letzten Jahres hatte mich das Goethe-Institut mit einer einmonatigen künstlerischen Residenz in Westafrika - namentlich Senegal, Mali und Mauretanien - bedacht, und ich hatte diese wunderbare Reise mit dem Ziel verknüpft, eine Begegnung des Bundesjazzorchesters mit afrikanischen Musikern zu ermöglichen. Tatsächlich ergaben sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die mich und meinen Partner im Deutschen Musikrat, Dominik Seidler, ermutigten, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Ich hatte einige herausragende afrikanische Musiker kennengelernt, sowie Unterstützer beim Goethe-Institut, der Deutschen Botschaft und bei offiziellen und inoffiziellen Stellen der afrikanischen Kultur gefunden. Im Mai nun soll eine mit einem Workshop verbundene Tournee durch Westafrika durchgeführt werden, und meine jetzige Reise dient der Vorbereitung.
Durch die politischen Entwicklungen der letzten Wochen ist es leider unmöglich geworden, mit dem Orchester nach Mali zu reisen - welch ein Jammer! Die Hauptstadt Bamako vibriert vor Musik, das Leben ist nicht einfach, aber bei meinem Aufenthalt in Bamako habe ich neben der mehr als ein Jahrtausend alten Kultur einen aufgeschlossenen und fröhlichen afrikanischen Islam erlebt, da geht kein Gedanke in Richtung Scharia oder Burka. Meine Freunde in Bamako beklagen in Telefonaten den Stillstand des täglichen Lebens, der ihnen von den zumeist staatsfremden Invasoren, die im Norden ihr Regime aufbauen, aufgezwungen wird. Meiner Meinung nach haben sich Al Kaida und ihre Unterorganisationen strategisch ausgesprochen clever in eine Gegend der jahrhundertealten knüppelharten institutionalisierten Nord-Süd-Ausbeutung begeben, um ihre Vision eines Gottesstaates unter einem - wenn auch sehr fadenscheinigen, jedoch mit reichlich Geld islamistischer Ölemporkömmlinge finanzierten - Banner des Abwurfs des Jochs der Unterdrückung in ihre freudlose Ausübung zu überführen, mit Schleier, Händeabhacken und gleichzeitigem Beten, effektiv und schleimig, pfui Teufel!
Ich bin gespannt, wie sich die Situation nach meinem letzen Besuch in Westafrika nun darstellt. Mauretanien will ich wieder besuchen, obwohl nicht klar ist, ob wir mit dem Orchester dorthin reisen können, das werde ich erst nach meinem Aufenthalt wissen. Aber ich möchte die Sängerin Maalouma und ihren Gitarristen Ali Ndao wiedersehen und sie in unser Projekt einbinden. In Saint-Louis im Senegal werde ich unter anderem den Koraspieler Ablaye Sissoko besuchen und in Dakar den Balaphonisten Djiby Diabate. Schlussendlich fliege ich von Dakar nach Guinea-Bissau, wo mein Freund Carlos Robalo uns den Weg bereiten wird, In'ch Allah, so muss man in Westafrika sagen.
Zur Zeit ist mein Freund Heiner Wiberny in Dakar und arbeitet zusammen mit dem Goethe-Institut und afrikanischen Musikern über den Jazz im Dreieck Afrika - Amerika - Europa, sodass er gemeinsam mit den senegalesischen Musikern unter anderem Bebopstücke übt und aufführt, das finde ich gut! Heute Abend ist sein Abschlusskonzert im "Just for You" in Dakar, da wären doch gerne einige von uns dabei, nicht wahr?
So auch ich, aber leider soll mein Flugzeug erst gegen Mitternacht ankommen, so dass ich Heiner und seine Frau Ulla erst am Samstag Abend zu einem Abschiedsessen sehe, so dachte ich.
Denn heute morgen bin ich zwar aufgebrochen zu meiner Reise, diese wurde aber gleich schon am Flughafen Düsseldorf wieder unterbrochen. Entgegen der Versicherung der Hotline (warum glaube ich eigentlich perfekt Deutsch sprechenden Indern in Bangalore, die 8000 km vom Schuss entfernt sitzen? Selber Schuld!) beeinträchtigte der Streik des Sicherheitspersonals den Betrieb des Flughafens dermaßen, dass alle Passagiere "meiner" Maschine an einem privilegierten Platz vor einer Schuhboutique (Boots, die aussehen wie meine Hausschuhe, für 220 Euro; und noch nicht mal mit Fußbett, sagte die Dame neben mir zu ihren beiden Freundinnen) zusammengetrieben wurden, wo man uns fünf Minuten vor geplantem Abflug mitteilte, dass der Pilot die Nase voll hätte und jetzt mit leerer Maschine nach Madrid abheben würde, adios. Naja, ganz so hat man uns das nicht gesagt, obwohl die nette Spanierin vor mir meinte, dass das gestern genauso gewesen wäre und sie jetzt aufgeben und bis Montag in Düsseldorf bleiben würde. Wie wir schließlich wieder an unsere Koffer und dann trotz Notarzteinsatzes an den Gleisen der Bundesbahnstrecke Düsseldorf - Köln wieder an Orte der Vernetzung kamen, will ich meinen Lesern ersparen. Jedenfalls sitze ich jetzt voll für meine Reise gerüstet wieder auf meinem Sofa und denke mir, wer weiß wofür's gut war. Morgen probier ich's wieder, aber dann von Frankfurt.