02.02.2013
Pharmazie Auweyya
Morgens um neun wartete ich also wie verabredet auf den Fahrer Sidi, der nicht kam. Als ich nach einer Viertelstunde anrief, sagte er, er habe nur auf meinen Anruf gewartet, er sei gleich da. Naja, eine halbe Stunde später kam - nicht Sidi, sondern jemand anders, den er für den Job subkontraktiert hatte. Der brachte mich auf der sehr guten Straße in anderthalb Stunden nach Rosso, dem Grenzflecken am Senegalfluss. Hier gab's das übliche Gequirle und Gewühle, ich ließ mich gleich in die senegalesische Polizeistation treiben, wo ich problemlos meinen Stempel bekam und dann kurz auf Abdul, Alys Cousin, wartete. Gemeinsam fuhren wir in einer Barkasse über den Fluss. Direkt an der Anlegestelle ist die so gefürchtete Grenze. Abdul verschwand mit meinem Pass, und nach zehn Minuten kam er wieder und schon war ich in Mauretanien, ohne einen einzigen Beamten gesehen zu haben; das muss doch eine Art Rekord sein, denn selbst Aly war erstaunt darüber, als ich ihm davon erzählte. Abdul brachte mich zum Gare Routier und setzte mich in ein achtsitziges Fahrzeug, das auch vollbeladen sofort aufbrach. Es war eng, aber gemütlich, neben mir saß ein Afrikaner, der sowas von haargenau wie mein Freund Carlos Robalo aussah, dass ich ihn fragte, ob er vom selben Stamm sei; war aber Fehlanzeige.
Die Gegend, durch die das Taxi nach Nouakchott fuhr, ist absolut desolat, ich frage mich, wovon die Menschen dort leben, wo sie ihr Wasser herbekommen. Auf den ersten fünfzig Kilometern hinter dem Fluss sieht man noch niedrige Bäume, danach nur noch Gestrüpp. Alles ist von dem allgegenwärtigen Sand überzogen, meistens ist es menschenleer. Ab und zu tauchen Siedlungen rechts und links der Straße auf; diese bestehen aus kleinen Backsteinbauten, Wellblechhütten, Beduinenzelten und jeder denkbaren Kombination der drei Behausungsarten. Einige der Ansiedlungen haben brandneue Solarkollektoren, und ich durfte zum ersten Mal ein Beduinenzelt mit Satellitenantenne erblicken, ein etwas zwiespältiges Gefühl. Im Gedächtnis geblieben ist mir die am Straßenrand gelegene Pharmazie Auweyya, die hätte bestimmt auch in Deutschland ihre Kundschaft!
Die ganze Zeit über ließ der Fahrer mauretanische Volksmusik laufen, eine repetitive Musik von großer Kraft und Wildheit. Auf der Fahrt hat sich mir diese Musik ein wenig durch die Landschaft erschlossen, ich fühlte mich entspannt und begriff zur gleichen Zeit die Freundlichkeit und die Härte der hier lebenden Menschen. Europa, Talkshows, Oktoberfest, Mindestlohn, Brüderles Problem - dies sind nur einige der Ideen und Konzepte, die hier absolut keinen Sinn ergeben. Die Wüste gebiert große Krieger, die mit sowenig existieren können, dass westliche Soldaten selbst mit überlegener Ausrüstung und Logistik es schwer haben, gegen diese Menschen in der Wüste zu bestehen, kein Wunder!
Alle paar Kilometer muss man anhalten und an den Polizei- und Militärposten Papiere vorzeigen; alles lief aber höchst korrekt und zivil, die Kontrolleure verabschiedeten mich immer mit einem "Bienvenu au Mauretanie", vielleicht habe ich auch einfach nur Glück gehabt. Gegen halb vier erreichten wir Nouakchott, wo mich der Fahrer an dem Wahrzeichen der drei Strommasten(sind halt drei Strommasten) absetzte. Kurz darauf kam Aly und holte mich ab. Wir fuhren gleich zu Maaloumas Haus, die ein Essen vorbereitet hatte. Ich habe sie nur drei Tage lang kennengelernt letztes Jahr, es war, als wäre ich nie weg gewesen. Maalouma hat ein Klavier und wir haben unser Projekt besprochen und ein wenig gespielt. Sie ist Senatorin und sprach mit mir über ihre Furcht, dass Mauretanien in den Konflikt in Mali verwickelt würde. Diese Dame ist eine Repräsentantin des wahren, des offenen und freiheitlichen Islam! Übrigens erklärte sie mir, dass das Wort Islam selbst von Salam, Frieden, kommt, und alle die, die im Namen des Islam Krieg führen, per Definitionen das Falsche tun. Sie teilt meine Meinung, dass der afrikanische Islam, den ich weiter oben beschrieben habe, der wahre und richtige Weg ist, wenn man denn eine Religion braucht. Obwohl sie selbst arabische und maurische Wurzeln hat, ist sie überzeugt, dass der saudische und generell arabische Islam die falschen Prioritäten setzt, würden doch alle Muslims so denken!
Ich fühle mich sehr privilegiert, den heutigen Tag auf oben beschriebene Weise verbracht zu haben, es ist wunderbar, hier in der Wüste von Menschen einer vollkommen fremdartigen Kultur empfangen und als Freund gesehen zu werden, schon wieder etwas, was man nicht kaufen kann!
01.02.2013
Unbefleckte Empfängnis
Gestern Abend hatte ich noch mit Ablaye Sissoko telefoniert, der im Moment in Paris ist. Er kommt am 5.2. nach Dakar und ich werde ihn voraussichtlich dort treffen, um ihn zu der Sitzung der Programmkommission zu begleiten.
Bin ich eigentlich noch Musiker? Zahlen, Verhandlungen, Besichtigungen, Konferenzen.... Gottseidank lassen die Taxifahrer alle recht laute Musik laufen, sodass ich nicht ganz den Kontakt zu meinem gewählten Beruf verliere. Aber ich will nicht klagen, ich mach's ja freiwillig; na gut, ein wenig jammern hilft meiner Psyche, hoffentlich.
Morgen geht's nach Nouakchott, das ist ziemlich kompliziert, ich muss ein Taxi bis Rosso nehmen, dann mit der Fähre über den Senegalfluss schippern, die schwierige Grenze nach Mauretanien überwinden (meine Freunde in Saint - Louis nennen sie "degeulasse", und raten mir, bloß kein Bargeld sehen zu lassen), um dann ein weiteres Taxi zu finden, das mich bis Nouakchott bringt. Aly Ndao, der Gitarrist und Manager von Maalouma, hat mich telefonisch mit seinem Cousin in Verbindung gebracht, der wiederum mir versicherte, dass morgen ein Bekannter von ihm in Rosso auf mich warten würde, um mir den Grenzübergang zu erleichtern. Da ich ein vertrauensseliger Mensch bin, werde ich ruhig und voller Hoffnung morgen losfahren, wir werden ja dann sehen....
Ganz früh war ich im Institut Francais, leider ist es mir nicht gelungen, mit der Leiterin Kontakt aufzunehmen, da sie in einer Konferenz war und mich leider nicht zurückgerufen hat; schade, denn eigentlich wollte ich mit ihr zusammenarbeiten, aber es geht auch so, außerdem wer weiß, wozu es gut ist.
Als ich vor einem Jahr nur einen einzigen Tag in Saint-Louis war, habe ich die Sängerin Louise und ihren Mann Matthias, einen Gitarristen, kennengelernt, wir haben ein wenig gejammt. Aus irgendeinem Grund hat mich Louise als ihren "Vater" auserkoren, ihre Familie hatte nichts dagegen. Ihren sechsmonatigen Sohn hat sie nach seinem Großvater(also mir) benannt, so geht das hier. Heute hab ich das Paar besucht und mir ihr selbstgebautes "Recording Studio" angesehen, da schick ich Euch hin, liebe BujazzOs, das ist Reality pur.....Übrigens, wenn ihr irgend etwas übrig habt, ein altes Mikro, Kabel, Saiten, alte Effekte, was auch immer, bitte packt es ein, wenn wir kommen, hier wird alles, aber auch alles gebraucht. Natürlich bin ich, sind wir Europäer alle reich im Vergleich zu den hier lebenden Musikern und ich unterstütze sie hin und wieder. Vor einigen Monaten kam ein Anruf von Louise, in dem sie mir erklärte, es sei gerade Ziegenfest, und sie habe keine Ziege...Naja, ich hab auch keine, aber ich brauch ja auch keine, war eh klar, was gemeint war. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, nichts mehr zu spenden in Europa, sondern ich gebe die Geldbeträge, die ich mir leisten kann, lieber direkt an meine Freunde hier weiter, wenn ich reise, das macht meiner Meinung nach am meisten Sinn, und wenn's die Leute nur satt macht. So Leute, jetzt gönne ich mir noch einen Spaziergang am Strand und packe dann meine Siebensachen. Morgen dann ein Bericht aus Nouakchott, in'ch Allah!
31.01.2013
Alles im Fluss
Na klar sind wir gestern Abend noch in Saint-Louis angekommen, und ich habe ein wunderschönes Zimmer am Meer in dem Hotel bekommen, das ich als Aufenthaltsort für das BujazzO ins Auge gefasst habe. Morgen treffe ich den Besitzer und will mit ihm einen Preis verhandeln. Diesen Preis soll ich kommentarlos entgegen nehmen und dann Balde anrufen, der aus dem "weißen" einen "schwarzen" Preis, oder, wie er sagt, aus dem Prix de Toubab( das heißt einfach "Weißer") einen "Notre Prix" machen will, In'ch Allah. Ist übrigens bei Taxifahrten, wo jeder Preis erfeilscht werden will, auch so; beziehungsweise es sind immer meine afrikanischen Freunde, die den Preis aushandeln. Inzwischen bin ich allerdings auch nicht mehr ganz so schlecht im Verhandeln; am wichtigsten ist es, zuerst Guten Tag zu sagen, sonst wird man gleich als weißer Barbar erkannt und entsprechend preislich taxiert. Da ich die meisten Preise kenne, da meine Freunde sie mir im Vorhinein mitteilen, zahle ich aus Bequemlichkeit in der Regel freiwillig ein bischen mehr, dann habe ich einen glücklichen Taxifahrer und zahle immer noch weniger als ein Tourist.
Um neun holte Balde mich ab und wir liefen von Pontius zu Pilatus. Zuerst trafen wir Michel Albouri, einen großen Jazzliebhaber und den Urheber des Jazzfestivals in Saint-Louis. Er war gleich angetan von unserer Idee, das BujazzO mit afrikanischen Musikern auf die Bühne zu bringen, und schlug vor, sozusagen als Band in Residence zu agieren, sodass wir nicht nur auf der großen Bühne spielen, sondern auch davor und danach in kleineren Formationen oder Kooperationen mit Afrikanern in den Clubs der Stadt zusammenarbeiten sollen. Von meinem letzten Auftritt 2012 auf dem Festival weiß ich, dass die ganze Stadt während des gesamten Festivals vibriert und schwingt und so gut wie gar nicht schläft, das ist doch genau das Richtige fürs BujazzO!
Danach suchten wir Ben, den Generalsekretär des Festivals(ja, sowas gibt's) und schließlich Monsieur Diop, den Präsidenten, auf. Beide waren sofort überzeugt und der Präsident hat mir versichert, dass er unser Anliegen zu seiner Herzenssache machen wird. Allerdings tagt die Programmkommission erst am 6. Februar in Dakar, sodass wir erst dann verlässlich wissen werden was und ob und wann passiert. Alle drei haben mich wissen lassen, dass unsere Idee der des Festivals entspricht, sie erinnerten sich auch an Djibys und meinen Auftritt, auf den ich übrigens den ganzen Tag über von verschiedenen Leuten angesprochen wurde, die mich erkannten. Dann gab es noch eine neue Information: Jede Gruppe, die auf dem Festival auftritt, muss sich verpflichten, vorher nicht in Westafrika zu spielen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass wir einige Tage später als geplant im Mai nach Afrika aufbrechen werden und stattdessen alle sonstigen Konzerte erst nach dem Festival geben werden. Im Moment ist aber noch viel zu viel im Fluss, als dass man jetzt schon Entscheidungen treffen könnte. So, hab noch mehr zu erzählen, bin aber jetzt ziemlich erledigt und lege mich hin, morgen mehr!
30.01.2013
Wusste ich es doch, dass es irgendwann wieder einen Knoten zu durchschlagen gilt! Wie oben berichtet, sollte mich Balde in einem Sammeltaxi um 10 Uhr abholen und ich deutscher Michel war um neun schon gestiefelt und gespornt, als eine SMS von Balde eintraf. In dieser erklärte er, dass er um halb neun beim Taxibahnhof gewesen sei, aber alle Taxifahrer wären müde gewesen, sodass sich unsere Abfahrt auf 14 Uhr verzögern würde. Aha, na gut, machte ich eben einen Spaziergang durch die Nachbarschaft, um um 13.30 wieder gestiefelt und gespornt zu warten. Um 14.30 rief ich Balde an, der sagte mir, er sei gleich da. So ging das hin und her, bis schließlich um halb fünf das Taxi mit Balde und zwei weiteren Passagieren eintraf. Hätte ich eigentlich wissen müssen, denn auf die Frage, wann der Bus abfährt, gibt es in Afrika nur eine Antwort:
Wenn er voll ist! Nun werden wir bei Dunkelheit in Saint-Louis eintreffen, und erst morgen kann ich die für unseren Aufenthalt wichtigen Leute treffen. Das Merkwürdige an obiger Geschichte ist, dass, als ich einstieg, niemand die Verspätung überhaupt erwähnte, also auch ich nicht.... Jetzt sitzen wir alle entspannt im Taxi und der Fahrer brettert nach Saint-Louis, während er sich mit Wattestäbchen die Ohren säubert, warum auch nicht. Gut, dass ich noch kein Hotel für die Nacht habe, wer weiß, wann wir ankommen und ob überhaupt. A la Bonheur!
29.01.2013
Der Vormittag ließ mich heute den gestrigen Tag büßen, der zwar, wie oben beschrieben, wunderbar, aber auch sehr anstrengend war. Am Mittag bin ich mit dem Taxi zur Patte d'Oie, dem Entenfuß, gefahren, um dort Djiby und die Sängerin Goundo, die er mir enpfohlen hat, kennenzulernen. Wir trafen bei Goundos Haus ein und wurden sofort zu Mafe, einem Gericht mit Reis und Erdnusssauce eingeladen. Das kleine Haus wirbelte vor Leben und Kindern. Djiby und ich bekamen den Ehrenplatz im Schlafzimmer und verspeisten unser Mafe auf dem Bett sitzend, zu zweit, da das Zimmer mehr Personen nicht fasst. Goundo ist eine Angehörige des Stammes der Bambara, leider hab ich sie noch nicht singen gehört, werde das aber nach meiner Rückkehr aus Mauretanien nachholen. Nach einer herzlichen Verabschiedung nahmen wir ein Taxi zu dem recht berühmten Sänger Sidi Sam, der auch eine PA-Firma besitzt, deren Hilfe wir uns vielleicht bedienen wollen. Wieder ein überaus herzlicher und freundlicher Empfang, Djiby kennt in Dakar jeden und wird von allen als der kommende Balaphon - Star betrachtet, da haben wir doch einen guten Fang gemacht! Nach einem kurzen Gespräch wurden wir sofort zum Essen eingeladen, es gab - Mafe, weswegen ich mich danach mühsam nachhause schleppte; ich fühlte mich so schwer, dass es mich wundert, dass der Taxifahrer kein Extrageld haben wollte...
Morgen um zehn holt mich Balde mit dem Taxi ab und dann geht's weiter nach Saint-Louis, eine etwa vierstündige Fahrt. Mein Aufenthalt in Dakar war jedenfalls bisher sehr angenehm, es ist schön, von Mensch zu Mensch weitergegeben, sozusagen überreicht zu werden; und ich fühle mich sicher und satt wie in Mutters Schoß. Drückt mir die Daumen, dass es so weitergeht!
28.01.2013
Quer durch Dakar
Was für ein Tag! Morgens traf ich mich mit Djiby im Goethe-Institut, wo wir gemeinsam mit Prof. Jeismann, dem Leiter, den geplanten Ablauf der Tour besprachen. Dr. Jeismann war sehr hilfreich und wir haben den 22.5. als Konzerttermin in Dakar festgelegt. Da es immer noch äußerst zweifelhaft ist , ob wir nach Mauretanien können, werden Dr. Jeismann und ich nach meiner Rückkehr aus Saint-Louis gemeinsam Monsieur Alban, den Leiter des Centre Culturel Francais in Dakar aufsuchen, den ich schon anlässlich meines Konzerts dort im Oktober kennengelernt habe, um eine Kooperation beider Institute in die Wege zu leiten. Unsere Wunschvorstellung ist eMikes, ein Konzert in Gambia und eines in Ziguinchor zu veranstalten.
Danach sind Djiby und ich zu dem Hotel gefahren, das er für uns ausfindig gemacht hat, La Residence. Es liegt direkt am Meer und ist für uns sehr gut geeignet, sodass ich gleich für unseren Aufenthalt reserviert habe. Inzwischen hatte ich schon richtig Hunger, und tatsächlich hat mich der Sicherheitsmann des Hotels gleich eingeladen, sein Mittagessen, ein leckeres Thiboudienne (Reis mit Kartoffeln und mikroskopischen Fleischteilen) mit ihm zu teilen, wundert ihr euch darüber, dass ich Afrika liebe?
Gleich ging es weiter zu Balde, dem Manager von Ablaye Sissoko, der mit uns die Tour bestreiten soll. Obwohl ich mit Ablaye mehrfach gemailt hatte, hat mir der bescheidene Mensch nicht gesagt, dass er selbst es ist, der die Programmation in diesem Jahr in der Hand hat! Ich nehme deshalb stark an, dass es kein großes Problem sein wird, den Auftritt in Saint-Louis zu arrangieren....
Dazu kommt, dass mich Balde morgen nach Saint-Louis begleiten wird, um mich dem Chef des Festivals vorzustellen und gute Preise bei Hotel und Bus zu erzielen. Ablaye ist leider auf Tour,deshalb werde ich ihn nicht sehen, allerdings kommt er Ende März nach Köln und wird einige Tage bei mir bleiben, um mit mir musikalisch zu arbeiten.
Nächste Station war das Haus von Pape Samory Seck, ganz im Norden von Dakar. Pape kenne ich seit letztem Jahr, ich hatte ihn zu einem Konzert des GlobalMusicOrchestra eingeladen. Er ist ein hervorragender Perkussionist, der zwischen Senegal und Bonn, wo er eine Wohnung hat, hin - und herpendelt, und ich habe ihn für die Tour verpflichtet; ein absoluter Glücksfall, da er nicht nur ein Topmusiker ist, sondern auch fließend Deutsch spricht!
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und Djiby und ich waren von dem ausgefüllten Tag ziemlich erledigt, sodass wir zu unseren jeweiligen Wohnungen zurückgekehrt sind.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, heute hat sich Afrika mir wieder einmal von seiner magischen Seite gezeigt, alle Türen gingen auf und meine Gesprächspartner waren sehr hilfreich, überall hat man mir zu essen gegeben, was kann man mehr verlangen? Sicher wird es auch wieder Hindernisse zu überwinden geben, aber heute war ein Tag, den ich nicht verkaufen möchte! Aber so ist das halt, und wir Musiker wissen es am besten: Alles was wirklich geil ist, kann man nicht kaufen.....
25.01.2013
Modern Life
Heute morgen nun sollte ich aufbrechen zu meiner Reise nach Westafrika. Anfang letzten Jahres hatte mich das Goethe-Institut mit einer einmonatigen künstlerischen Residenz in Westafrika - namentlich Senegal, Mali und Mauretanien - bedacht, und ich hatte diese wunderbare Reise mit dem Ziel verknüpft, eine Begegnung des Bundesjazzorchesters mit afrikanischen Musikern zu ermöglichen. Tatsächlich ergaben sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die mich und meinen Partner im Deutschen Musikrat, Dominik Seidler, ermutigten, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Ich hatte einige herausragende afrikanische Musiker kennengelernt, sowie Unterstützer beim Goethe-Institut, der Deutschen Botschaft und bei offiziellen und inoffiziellen Stellen der afrikanischen Kultur gefunden. Im Mai nun soll eine mit einem Workshop verbundene Tournee durch Westafrika durchgeführt werden, und meine jetzige Reise dient der Vorbereitung.
Durch die politischen Entwicklungen der letzten Wochen ist es leider unmöglich geworden, mit dem Orchester nach Mali zu reisen - welch ein Jammer! Die Hauptstadt Bamako vibriert vor Musik, das Leben ist nicht einfach, aber bei meinem Aufenthalt in Bamako habe ich neben der mehr als ein Jahrtausend alten Kultur einen aufgeschlossenen und fröhlichen afrikanischen Islam erlebt, da geht kein Gedanke in Richtung Scharia oder Burka. Meine Freunde in Bamako beklagen in Telefonaten den Stillstand des täglichen Lebens, der ihnen von den zumeist staatsfremden Invasoren, die im Norden ihr Regime aufbauen, aufgezwungen wird. Meiner Meinung nach haben sich Al Kaida und ihre Unterorganisationen strategisch ausgesprochen clever in eine Gegend der jahrhundertealten knüppelharten institutionalisierten Nord-Süd-Ausbeutung begeben, um ihre Vision eines Gottesstaates unter einem - wenn auch sehr fadenscheinigen, jedoch mit reichlich Geld islamistischer Ölemporkömmlinge finanzierten - Banner des Abwurfs des Jochs der Unterdrückung in ihre freudlose Ausübung zu überführen, mit Schleier, Händeabhacken und gleichzeitigem Beten, effektiv und schleimig, pfui Teufel!
Ich bin gespannt, wie sich die Situation nach meinem letzen Besuch in Westafrika nun darstellt. Mauretanien will ich wieder besuchen, obwohl nicht klar ist, ob wir mit dem Orchester dorthin reisen können, das werde ich erst nach meinem Aufenthalt wissen. Aber ich möchte die Sängerin Maalouma und ihren Gitarristen Ali Ndao wiedersehen und sie in unser Projekt einbinden. In Saint-Louis im Senegal werde ich unter anderem den Koraspieler Ablaye Sissoko besuchen und in Dakar den Balaphonisten Djiby Diabate. Schlussendlich fliege ich von Dakar nach Guinea-Bissau, wo mein Freund Carlos Robalo uns den Weg bereiten wird, In'ch Allah, so muss man in Westafrika sagen.
Zur Zeit ist mein Freund Heiner Wiberny in Dakar und arbeitet zusammen mit dem Goethe-Institut und afrikanischen Musikern über den Jazz im Dreieck Afrika - Amerika - Europa, sodass er gemeinsam mit den senegalesischen Musikern unter anderem Bebopstücke übt und aufführt, das finde ich gut! Heute Abend ist sein Abschlusskonzert im "Just for You" in Dakar, da wären doch gerne einige von uns dabei, nicht wahr?
So auch ich, aber leider soll mein Flugzeug erst gegen Mitternacht ankommen, so dass ich Heiner und seine Frau Ulla erst am Samstag Abend zu einem Abschiedsessen sehe, so dachte ich.
Denn heute morgen bin ich zwar aufgebrochen zu meiner Reise, diese wurde aber gleich schon am Flughafen Düsseldorf wieder unterbrochen. Entgegen der Versicherung der Hotline (warum glaube ich eigentlich perfekt Deutsch sprechenden Indern in Bangalore, die 8000 km vom Schuss entfernt sitzen? Selber Schuld!) beeinträchtigte der Streik des Sicherheitspersonals den Betrieb des Flughafens dermaßen, dass alle Passagiere "meiner" Maschine an einem privilegierten Platz vor einer Schuhboutique (Boots, die aussehen wie meine Hausschuhe, für 220 Euro; und noch nicht mal mit Fußbett, sagte die Dame neben mir zu ihren beiden Freundinnen) zusammengetrieben wurden, wo man uns fünf Minuten vor geplantem Abflug mitteilte, dass der Pilot die Nase voll hätte und jetzt mit leerer Maschine nach Madrid abheben würde, adios. Naja, ganz so hat man uns das nicht gesagt, obwohl die nette Spanierin vor mir meinte, dass das gestern genauso gewesen wäre und sie jetzt aufgeben und bis Montag in Düsseldorf bleiben würde. Wie wir schließlich wieder an unsere Koffer und dann trotz Notarzteinsatzes an den Gleisen der Bundesbahnstrecke Düsseldorf - Köln wieder an Orte der Vernetzung kamen, will ich meinen Lesern ersparen. Jedenfalls sitze ich jetzt voll für meine Reise gerüstet wieder auf meinem Sofa und denke mir, wer weiß wofür's gut war. Morgen probier ich's wieder, aber dann von Frankfurt.
Gleich zu Anfang meiner einmonatigen Residenz in Westafrika im Auftrag des Goethe-Instituts habe ich den Balaphonspieler Djibi Diabate kennengelernt. Norbert Hausen vom Institut in Dakar hatte mir eine Liste von Clubs gegeben, in denen örtliche und auch nationale Künstler spielen, und ich habe eine Menge davon besucht und tatsächlich eine Reihe von Musikern gehört und kennengelernt. Djibi spielte mit seiner Band und eine Sängerin kam spontan dazu.
Sonntag, 27.05.2012 So kann es kommen, da hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag zu schreiben, aber die Wirklichkeit hat mich überholt. Djibi und ich haben von Mittwoch bis Freitag intensiv geprobt, was bei dem Klima in Saint Louis doppelt schwierig ist. Unser Probenraum war draussen vor dem Hotelzimmer und man musste mit einer Hand immer die Fliegen abwehren, was aber auch sein Gutes hat, weil es die Unabhängigkeit der Hände ungemein trainiert. Abends sind wir dann immer von unserem etwas außerhalb gelegenen Hotel zum Place Faidherbe gefahren, wo das Festival stattfindet. Dieser befindet sich mitten in der Stadt und tatsächlich nimmt die gesamte Bevölkerung am Festival teil, die Strassen sind bis zum frühen Morgen belebt, aus jeder Kneipe dringt Live-Musik und das Ganze ist ein riesiges Fest. Am Freitag war unser Konzert, zur besten Zeit um 22Uhr 30. Das Konzept des Global Music Orchestra ging voll auf und ich bin nicht unbescheiden, wenn ich feststelle, dass wir ein Höhepunkt des Festivals waren! Die Menschen haben verstanden, um was es uns bei der Musik geht, und das Publikum war nach wenigen Augenblicken bei uns. Im Anschluss an das Konzert gab es Zuspruch von allen Seiten, sowas habe ich noch nie erlebt, selbst nach zwei Tagen wurden wir überall angesprochen und die Menschen haben uns versichert, dass sie mit uns magische Momente verbracht haben. Das hört sich jetzt vielleicht wie Aufschneiderei an, aber wirklich, die Menschen haben uns und die Idee des GMO in ihr Herz aufgenommen, es waren bewegende Tage, die mir viel Energie und die Sicherheit gegeben haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Djibi hat hervorragend gespielt, unser Programm bestand aus Kompositionen von ihm, von mir, wir haben ein senegalesisches Stück gespielt und ein Höhepunkt des Programms war eine afrikanische Version von " Mir losse dr Dom in Kölle". Gerade bin ich nach heisser und anstrengender Fahrt in meinem Hotel in Dakar angekommen und wurde schon vom Sicherheitsbeamten beglückwünscht, denn offensichtlich hat das senegalesische Fernsehen einen kurzen Ausschnitt gezeigt. Da das Festival für den Senegal einen sehr grossen Stellenwert hat, hat das wohl die ganze Bevölkerung gesehen, a la bonheur! Gestern Abend haben wir noch im Institut Francais ab zwei Uhr morgens einen improvisierten Auftritt mit senegalesischen Musikern gehabt, das Ganze ging bis sechs Uhr morgens, sodass ich heute Nacht gar keinen Schlaf bekommen habe. Jetzt schnell was essen und dann ab ins Bett. Morgen geht es schon zurück nach Deutschland, aber ich bin sicher, dass das nicht mein letzter Aufenthalt im Senegal war. Music is alive!
Dienstag, 23.05.2012 Nachdem mich Norbert Hausen vom Goethe-Institut gestern Abend in Dakar vom Flughafen abgeholt und zum Hotel gebracht hat, sind wir heute morgen gemeinsam mit dem Balaphonspieler Djibi Diabate nach Saint Louis gefahren. Nach dem üblichen Verwirr- und Versteckspiel sind wir endlich in einem ganz anderen Hotel als geplant untergekommen, das etwas ausserhalb, aber sehr schön am Meer gelegen ist. Eleonora Rossi, die Leiterin des Institut Francais hat mir ihr Keyboard geliehen, sodass Djibi und ich morgen anfangen können zu proben. Ich hoffe, dass noch andere Musiker sich anschliessen werden und bin gleich mit einigen anderen Musikern, darunter dem Pianisten Rene Utregger, der die Musik zu "Fahrstuhl zum Schafott" geschrieben hat, zum Essen verabredet. Morgen eröffnet Rene das Festival und die ganze Stadt scheint schon in Vorfreude auf das Festival zu sein. Morgen mehr!