25.01.2013
Modern Life
Heute morgen nun sollte ich aufbrechen zu meiner Reise nach Westafrika. Anfang letzten Jahres hatte mich das Goethe-Institut mit einer einmonatigen künstlerischen Residenz in Westafrika - namentlich Senegal, Mali und Mauretanien - bedacht, und ich hatte diese wunderbare Reise mit dem Ziel verknüpft, eine Begegnung des Bundesjazzorchesters mit afrikanischen Musikern zu ermöglichen. Tatsächlich ergaben sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die mich und meinen Partner im Deutschen Musikrat, Dominik Seidler, ermutigten, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Ich hatte einige herausragende afrikanische Musiker kennengelernt, sowie Unterstützer beim Goethe-Institut, der Deutschen Botschaft und bei offiziellen und inoffiziellen Stellen der afrikanischen Kultur gefunden. Im Mai nun soll eine mit einem Workshop verbundene Tournee durch Westafrika durchgeführt werden, und meine jetzige Reise dient der Vorbereitung.
Durch die politischen Entwicklungen der letzten Wochen ist es leider unmöglich geworden, mit dem Orchester nach Mali zu reisen - welch ein Jammer! Die Hauptstadt Bamako vibriert vor Musik, das Leben ist nicht einfach, aber bei meinem Aufenthalt in Bamako habe ich neben der mehr als ein Jahrtausend alten Kultur einen aufgeschlossenen und fröhlichen afrikanischen Islam erlebt, da geht kein Gedanke in Richtung Scharia oder Burka. Meine Freunde in Bamako beklagen in Telefonaten den Stillstand des täglichen Lebens, der ihnen von den zumeist staatsfremden Invasoren, die im Norden ihr Regime aufbauen, aufgezwungen wird. Meiner Meinung nach haben sich Al Kaida und ihre Unterorganisationen strategisch ausgesprochen clever in eine Gegend der jahrhundertealten knüppelharten institutionalisierten Nord-Süd-Ausbeutung begeben, um ihre Vision eines Gottesstaates unter einem - wenn auch sehr fadenscheinigen, jedoch mit reichlich Geld islamistischer Ölemporkömmlinge finanzierten - Banner des Abwurfs des Jochs der Unterdrückung in ihre freudlose Ausübung zu überführen, mit Schleier, Händeabhacken und gleichzeitigem Beten, effektiv und schleimig, pfui Teufel!
Ich bin gespannt, wie sich die Situation nach meinem letzen Besuch in Westafrika nun darstellt. Mauretanien will ich wieder besuchen, obwohl nicht klar ist, ob wir mit dem Orchester dorthin reisen können, das werde ich erst nach meinem Aufenthalt wissen. Aber ich möchte die Sängerin Maalouma und ihren Gitarristen Ali Ndao wiedersehen und sie in unser Projekt einbinden. In Saint-Louis im Senegal werde ich unter anderem den Koraspieler Ablaye Sissoko besuchen und in Dakar den Balaphonisten Djiby Diabate. Schlussendlich fliege ich von Dakar nach Guinea-Bissau, wo mein Freund Carlos Robalo uns den Weg bereiten wird, In'ch Allah, so muss man in Westafrika sagen.
Zur Zeit ist mein Freund Heiner Wiberny in Dakar und arbeitet zusammen mit dem Goethe-Institut und afrikanischen Musikern über den Jazz im Dreieck Afrika - Amerika - Europa, sodass er gemeinsam mit den senegalesischen Musikern unter anderem Bebopstücke übt und aufführt, das finde ich gut! Heute Abend ist sein Abschlusskonzert im "Just for You" in Dakar, da wären doch gerne einige von uns dabei, nicht wahr?
So auch ich, aber leider soll mein Flugzeug erst gegen Mitternacht ankommen, so dass ich Heiner und seine Frau Ulla erst am Samstag Abend zu einem Abschiedsessen sehe, so dachte ich.
Denn heute morgen bin ich zwar aufgebrochen zu meiner Reise, diese wurde aber gleich schon am Flughafen Düsseldorf wieder unterbrochen. Entgegen der Versicherung der Hotline (warum glaube ich eigentlich perfekt Deutsch sprechenden Indern in Bangalore, die 8000 km vom Schuss entfernt sitzen? Selber Schuld!) beeinträchtigte der Streik des Sicherheitspersonals den Betrieb des Flughafens dermaßen, dass alle Passagiere "meiner" Maschine an einem privilegierten Platz vor einer Schuhboutique (Boots, die aussehen wie meine Hausschuhe, für 220 Euro; und noch nicht mal mit Fußbett, sagte die Dame neben mir zu ihren beiden Freundinnen) zusammengetrieben wurden, wo man uns fünf Minuten vor geplantem Abflug mitteilte, dass der Pilot die Nase voll hätte und jetzt mit leerer Maschine nach Madrid abheben würde, adios. Naja, ganz so hat man uns das nicht gesagt, obwohl die nette Spanierin vor mir meinte, dass das gestern genauso gewesen wäre und sie jetzt aufgeben und bis Montag in Düsseldorf bleiben würde. Wie wir schließlich wieder an unsere Koffer und dann trotz Notarzteinsatzes an den Gleisen der Bundesbahnstrecke Düsseldorf - Köln wieder an Orte der Vernetzung kamen, will ich meinen Lesern ersparen. Jedenfalls sitze ich jetzt voll für meine Reise gerüstet wieder auf meinem Sofa und denke mir, wer weiß wofür's gut war. Morgen probier ich's wieder, aber dann von Frankfurt.
Gleich zu Anfang meiner einmonatigen Residenz in Westafrika im Auftrag des Goethe-Instituts habe ich den Balaphonspieler Djibi Diabate kennengelernt. Norbert Hausen vom Institut in Dakar hatte mir eine Liste von Clubs gegeben, in denen örtliche und auch nationale Künstler spielen, und ich habe eine Menge davon besucht und tatsächlich eine Reihe von Musikern gehört und kennengelernt. Djibi spielte mit seiner Band und eine Sängerin kam spontan dazu.
Sonntag, 27.05.2012 So kann es kommen, da hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag zu schreiben, aber die Wirklichkeit hat mich überholt. Djibi und ich haben von Mittwoch bis Freitag intensiv geprobt, was bei dem Klima in Saint Louis doppelt schwierig ist. Unser Probenraum war draussen vor dem Hotelzimmer und man musste mit einer Hand immer die Fliegen abwehren, was aber auch sein Gutes hat, weil es die Unabhängigkeit der Hände ungemein trainiert. Abends sind wir dann immer von unserem etwas außerhalb gelegenen Hotel zum Place Faidherbe gefahren, wo das Festival stattfindet. Dieser befindet sich mitten in der Stadt und tatsächlich nimmt die gesamte Bevölkerung am Festival teil, die Strassen sind bis zum frühen Morgen belebt, aus jeder Kneipe dringt Live-Musik und das Ganze ist ein riesiges Fest. Am Freitag war unser Konzert, zur besten Zeit um 22Uhr 30. Das Konzept des Global Music Orchestra ging voll auf und ich bin nicht unbescheiden, wenn ich feststelle, dass wir ein Höhepunkt des Festivals waren! Die Menschen haben verstanden, um was es uns bei der Musik geht, und das Publikum war nach wenigen Augenblicken bei uns. Im Anschluss an das Konzert gab es Zuspruch von allen Seiten, sowas habe ich noch nie erlebt, selbst nach zwei Tagen wurden wir überall angesprochen und die Menschen haben uns versichert, dass sie mit uns magische Momente verbracht haben. Das hört sich jetzt vielleicht wie Aufschneiderei an, aber wirklich, die Menschen haben uns und die Idee des GMO in ihr Herz aufgenommen, es waren bewegende Tage, die mir viel Energie und die Sicherheit gegeben haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Djibi hat hervorragend gespielt, unser Programm bestand aus Kompositionen von ihm, von mir, wir haben ein senegalesisches Stück gespielt und ein Höhepunkt des Programms war eine afrikanische Version von " Mir losse dr Dom in Kölle". Gerade bin ich nach heisser und anstrengender Fahrt in meinem Hotel in Dakar angekommen und wurde schon vom Sicherheitsbeamten beglückwünscht, denn offensichtlich hat das senegalesische Fernsehen einen kurzen Ausschnitt gezeigt. Da das Festival für den Senegal einen sehr grossen Stellenwert hat, hat das wohl die ganze Bevölkerung gesehen, a la bonheur! Gestern Abend haben wir noch im Institut Francais ab zwei Uhr morgens einen improvisierten Auftritt mit senegalesischen Musikern gehabt, das Ganze ging bis sechs Uhr morgens, sodass ich heute Nacht gar keinen Schlaf bekommen habe. Jetzt schnell was essen und dann ab ins Bett. Morgen geht es schon zurück nach Deutschland, aber ich bin sicher, dass das nicht mein letzter Aufenthalt im Senegal war. Music is alive!
Montag, 21.05.2012
Nachdem ich von meiner künstlerischen Residenz aus Westafrika im Februar zurück gekehrt war, habe ich mit meinen Partnern Ralf Plaschke und Walter Pütz weiter daran gearbeitet, das GlobalMusicOrchestra aufzubauen. Wir haben uns entschlossen,das Ganze in der Arbeitsform einer Band aufzuziehen, die eben aus einem Musiker, einem Internetfachmann und einem Musikmanager besteht. Schon im März erhielt ich einen Anruf aus dem Senegal vom Goethe-Institut in Dakar . Dieses hat mich eingeladen, gemeinsam mit einigen afrikanischen Musikern ein Programm zu erarbeiten und dieses dann in St.Louis, das an der Grenze zu Mauretanien liegt, auf dem dortigen traditionsreichen Jazzfestival aufzuführen. Ein tolles Projekt und gänzlich auf der Linie des GMO! Ich schreibe dies auf dem Flughafen Köln vor dem Abflug und freue mich sehr, wieder nach Senegal zu fahren, meine Freunde wieder zu treffen und mit ihnen Musik zu machen. Weiteres später auf diesem blog.
Mike Herting und das GlobalMusicOrchestra auf dem Jazzfestival in Saint Louis, Senegal