Der visionäre Initiator ist führend auf dem Gebiet kulturübergreifender Musikereignisse. Komposition, Arrangement, Direktion und Produktion auf höchster Ebene sowie seine jahrelange Auseinandersetzung mit indischer und afrikanischer Musik sind seine Fähigkeiten, die sich in seinen Programmen zu einzigartigen Veranstaltungen verbinden.
Programme mit der WDR Bigband und indischen Musikern, aber auch die Zusammenarbeit mit Wolfgang Niedecken in CD-Produktionen und Grosskonzerten, Zusammenarbeiten mit dem London Philharmonic Orchestra und der Bremer Kammerphilharmonie, NDR-Bigband und dem WDR-Rundfunkorchester sowie seine Kuratortätigkeit bei der Ruhrtriennale mit Künstlern wie R.A. Ramamani, Mory Kante und Dhafer Youssef zeigen beispielhaft seinen Ideenreichtum sowie dessen begeisternde Umsetzung. Die erfolgreiche Indientournee des Bundesjazzorchesters mit dem Karnataka College of Percussion unter seiner Leitung und Initiation war der Auslöser zur Gründung des GlobalMusicOrchestra.
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
16.02.2013
Viel zu kleine Penisse
Tja, ich habe aus Versehen den Titel dieser kleinen Geschichte, die ich letztes Jahr in Dakar erlebt habe, auf Facebook gepostet und stehe jetzt unter dem Druck der neugierigen Öffentlichkeit, die von mir wissen will, was das bedeuten soll; und vor allem, was das mit Musik zu tun hat? Wenn ich das wüsste! Eigentlich nichts, aber dennoch auch alles, entscheidet selbst. Außerdem muss ich vorsichtig sein, nicht des Rassismus verdächtigt zu werden, auch wenn ich sozusagen nur einen Bericht weitergebe, und werde deshalb anrüchige Bezeichnungen schwärzen, obwohl es mir scheint, dass selbst das Schwärzen zumindest tendenziell rassistisch ist. Da es das Weißen aber bei genauerem Nachdenken auch wäre, und ich beides und auch alle anderen Farben und Religionen mit meinem Gerät sowieso nicht kann, werde ich mich dieser Gefahr durch das bewährte neutrale wertfreie Pünktchen - Setzen entziehen.(Das arme Pünktchen! War es nicht einmal ein Punkt? Schluss jetzt damit!)
Nach mehrwöchiger Reise durch Mauretanien und Mali war ich im Februar letzten Jahres wieder in dem mir bekannten Hotel in Dakar angekommen. Da ich wie immer meinen Reiseprinzipien - alles essen, was man mir anbietet, überall hin mitkommen, wenn man mich auffordert - gefolgt war, war ich nicht nur erschöpft sondern auch - wenn auch nur leicht - magenkrank. Übrigens führt dieses mein Verhalten zumindest bei mir üblicherweise nicht zu den Problemen, die man befürchten sollte, sondern meistens zu guten Kontakten und leckeren Mahlzeiten. Hin und wieder geht es mal schief, bis jetzt noch nicht richtig ernsthaft, aber im Allgemeinen ist meiner Meinung nach - abgesehen von natürlicher Vorsicht und einigen einzuhaltenden Regeln - die Angst vor fremdem Essen oder Bakterien und den darauffolgenden Krankheiten oft eine sich selbsterfüllende Prophezeiung; das Gleiche gilt im Übrigen auch für Menschen und Situationen.
Ich war also abgeschlagen und bat den Portier Ibrahim, mir eine Masseuse kommen zu lassen, deren Anzeigen im Hotel aushingen. Nach einer halben Stunde erschien eine adrette, etwa vierzigjährige Marokkanerin, die sich auch sogleich äußerst fachfräulich zu Werke machte; ich bitte Euch, Euch selbst und Eure frivolen Gedanken in die Ecke zu stellen und zu büßen, liebe geile Leser. Wir kamen ins Gespräch, das heißt, sie erzählte und knetete; ich grunzte und machte mitunter andere offensichtlich ermutigende Geräusche. Mouna, wie sie natürlich nicht hieß, war lange mit einem senegalesischen General verheiratet gewesen und hatte mit diesem zwei mittlerweile erwachsene Kinder. Inzwischen war sie geschieden und genoss das Leben als alleinstehende Frau ohne größere Geldsorgen. Sie war - wie ich bezeugen kann - wirklich gut in ihrem Beruf und wurde zum Beispiel vom Sultan von Weißnichtmehr aus den Emiraten regelmäßig mit dem Flugzeug dorthin bestellt, um ihm und seinem Harem ihre geschickten Hände und die ihr eigene besondere Kenntnis des menschlichen Körpers zugute kommen zu lassen. Ich grunzte. Sie erzählte weiterhin aus ihrer Ehe mit dem General und behauptete zum Beispiel, dass viele Senegalesen sich im Hinblick auf die Naar, wie die Araber dort genannt werden, wesentlich arroganter und rassistischer verhalten würden als gegenüber uns Toubabs, den Weißen. Das ist mir durchaus vorstellbar, selbstverständlich auch in umgekehrter Richtung, läuft doch gerade dort die unscharfe Trennlinie zwischen Nord - und Schwarzafrika und die Konflikte und Verletzungen dort sind Hunderte und Tausende von Jahren alt. Mouna erzählte weiter, dass sie nach der Ehe einige Zeit einen Freund aus ....en gehabt habe, "Aber weißt du," meinte sie, " die ...er haben wirklich einfach viel zu kleine Penisse!" Ooh! Ich stöhnte unter ihren starken Händen, die eine Verspannung nach der anderen aus meinem schmerzenden Körper lösten. "Wirklich, ich hab es versucht mit ihm, er war reich und ganz in Ordnung, aber es ging nicht und auch seine Landsleute wissen einfach nicht, wie man eine Frau richtig für die Liebe vorbereitet, glaub mir." Ja, ich glaubte ihr, das leuchtete mir ein, hatte ich doch wirklich vor einigen Jahren bei einem Aufenthalt in ....en auf der Titelseite der größten dortigen Tageszeitung die Schlagzeile "Europäische Kondome zu groß für den .......en Penis" gelesen, den dazugehörigen Artikel aber nicht ganz verstanden, da er sich in ausgefeilt absurden medizinischen Details erging und Ratschläge physischer, psychologischer und spiritueller Natur gab, die ich nicht verstehen konnte. Seufzend schmolz ich weiter vor mich hin, es war warm an diesem Tag, und hörte zu, wie Mouna gerade heute morgen erst genau das Gleiche von ihrer Freundin gehört haben wollte. Diese hatte sich in den Kopf gesetzt, auch mal einen reichen .......en Mann zu haben und hatte Mouna, die durch ihren Freund mehrere ...er kannte, um Vermittlung gebeten. Aber auch da war das gleiche Problem aufgetreten: Sein Teil war viel zu klein, und dazu hatte er auch noch keine Ahnung, was er damit machen sollte. Das kam für Mounas Freundin nicht in Frage und der Kerl war sofort wieder aus dem Spiel. Tja, Geld ist nicht alles, dachte ich, und auch noch so Einiges mehr, genau wie ihr jetzt und auch die beiden Damen und besonders auch wie Mouna bei der Arbeit an mir, ich wusste nur nicht genau, was. Mouna knotete und renkte, ölte, trocknete.
"Du kannst froh sein, dass ich keine Senegalesin bin!"
"Ach ja, warum denn das?" murmelte ich unter ihrem sanftem Streicheln. "Das sind Bestien, Bestien sind das, sag ich dir, sie kennen genau die Punkte an Deinem Körper; pass auf, siehst Du, hier am Fuß zum Beispiel, dieser Punkt, siehst du, da drücken sie drauf und sofort steht dein Penis stramm, und dann, ja dann stürzen sie sich auf Dich!" Aha, dann stürzen sie sich auf mich, dachte ich so ungefähr oder vielleicht auch nicht; nun ja, ich gebe zu, ich war verwirrt, doch sehr entspannt, drum ließ ich sie weiter ihre Massage beenden. Aha. So. Ich ließ mir den Punkt nochmal genau zeigen, damit niemand aus Versehen oder geradezu absichtlich darauf drücken könnte. Das war doch mal interessant! Ich bemerkte es kaum, als Mouna fertig war und ihre Utensilien zusammenpackte, hatte ich doch Einiges gelernt. Es war eine tolle Massage, und sie war ja Marokkanerin und hatte mich gewarnt und ich hatte sie verstanden. Es herrschte Eintracht zwischen uns, wirklich; sie beendete ihren Aufenthalt , wir machten uns noch gegenseitig Komplimente, sie gab mir ihre Telefonnummer und wir schieden in Frieden. Nächstes Mal ruf ich sie an und lass mich wieder massieren, mal sehen, was es Neues aus ....en gibt.
16.02.2013
Von Dakar nach Köln oder Kleine Kamele
Es war der erwartet elende Rückflug von Dakar, um 23.15 Uhr ging die Maschine nach Madrid. Um kurz nach vier dort angekommen musste ich knapp fünf Stunden auf den Weiterflug nach Düsseldorf warten. Wie auf allen modernen Flughäfen haben auch in Madrid sadistische Innenarchitekten die Stuhlreihen so mit Lehnen versehen, dass man auf keinen Fall darauf liegen kann; stellen die sich vor, dass der Flughafen nachts von Pennern infiltriert wird, die Augen und Geruchssinn der morgendlichen Konzernkrieger belästigen könnten? Unter Aufbietung akrobatischer (Hallo?) Fähigkeiten gelang es mir, mit schmerzenden Lenden und Knochen, die sich um die metallenen Folterinstrumente falteten, eine halbe Stunde zu dösen. Dann resignierte ich und wanderte die das Oberlicht spiegelnden blankgeputzten Fliesen entlang, bis mir schwindlig wurde, im Ernst. Gut, dass endlich ein Café aufmachte, und gut, dass ich die spanische Art mag, die mich mich gleich innerlich aufrichten lässt, wenn ich nur höre, wie der lässige Caballero hinter der Theke mich mit :"Que quieres tomar?" nach meinen Wünschen fragt. Endlich saß ich in dem mit Fußballfans (Real Madrid gegen United Manchester am Vorabend!) vollgestopften Flieger nach Düsseldorf. Die Fans waren genauso erledigt wie ich, und gemeinsam verbrachten wir zwei weitere miserable Stunden in dem für Zwerge gebauten Apparat. Am Flughafen wartete der gute Heiner Wiberny mit Hut und Mantel für mich, Heiner war gerade vor mir in Dakar und weiß über das bittere Schicksal des nachts von Afrika Zurückfliegenden.
Genug davon, umso schöner war mein Bett, das ich allerdings erst nach Beantwortung der jetzt ständig auflaufenden Emails aus Afrika zu sehen bekam. Seit heute morgen geht das weiter, ich bin in Köln und Afrika zugleich, erst ein Treffen mit den Kollegen vom Globalmusicorchestra, Walter Pütz und Ralf Plaschke, die CD von Djiby Diabate und mir ist fertig!, sie heißt "Saint-Louis Blooze", beim nächsten Mal mehr davon. Dann kam Dominik Seidler vom Deutschen Musikrat, der dort für das BuJazzO zuständig ist. Dominik ist ein verlässlicher und enthusiastischer Partner, der es ertrug und möglich machte, dass ich meine in meinem Kopf gespeicherten Informationen durch ihn und seine Tastatur hindurch in vierstündiger, intensiver und pausenloser Prozedur auf seine Excel-Tabellen übertragen konnte, die wiederum erst unsere Reise möglich machen....ich musste die Zahlen und Daten unbedingt loswerden, um Platz für die Musik zu schaffen, die jetzt aber auch unbedingt rausgelassen werden will und schon heftig drängelt. Tja; so dachte ich jedenfalls, und liege nun hier um drei Uhr morgens, es rattern Afrika und Ziffern, Möglichkeiten und Probleme, und vor allem Erinnerungen an Menschen und Augenblicke der letzten drei Wochen in mir herum. Was soll's, ich schick das hier jetzt ab und dann zähl ich halt Schäfchen. Oder Zicklein. Oder vielleicht besser kleine Kamele.
13.02.2013
Abschied von Westafrika und Mein Bett
Wie immer, so erlebe ich auch diesmal den Abschied von Westafrika mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bin ich nach dieser Reise so müde wie selten zuvor und freue mich auf mein eigenes Bett. Mein Bett! Auf der anderen Seite wird mir die Unmittelbarkeit und Fröhlichkeit der Westafrikaner im täglichen Leben fehlen. Wie immer ist es die Brüderlichkeit, die wichtigste(?) der drei Errungenschaften der französischen Revolution, die ich in Europa vermissen werde. Immer dort, wo Freiheit und Gleichheit unter Druck sind - und das ist eben in Westafrika leider der Fall - blüht das brüderliche Verhalten auf, dessen Abwesenheit in Europa man bei jedem Versuch, die Straße zu überqueren, beobachten kann. Bei all meinem - wie ich finde berechtigten - Stolz auf die Errungenschaften meiner Heimat - so zum Beispiel das soziale Netz, relative geringe Korruption, die Schulpflicht, die auch durchgesetzt wird - beklage ich dennoch die soziale Kälte, das überbordende Ego und das verbissene Beharren auf sein Gutes Recht, wie wenig schlüssig dieses auch sein mag. Die orale Kultur in Afrika bedingt Kommunikation; wenn es keine Stadtpläne gibt, muss man fragen; wenn keine Öffnungszeiten angegeben werden, muss man fragen. Dieses Bewusstsein, nämlich dass man auf andere angewiesen ist, dass man ohne den anderen nicht weiterkommt, ist naturgemäß in Afrika viel stärker als im ichbetonten Abendland. Dadurch ergibt sich in meinen Augen eine angenehme Zivilität, die eigentlich nur den Augen und Herzen eines Toubab(Weißen) verborgen bleibt, der von Armut und Schmutz abgelenkt eben glaubt, dass Zivilisation und - sagen wir - Mercedes ein und dasselbe sind! Ich will keinesfalls all die Missstände, die ich in Afrika sehe und fühle, verschleiern, sondern möchte nur feststellen, dass wir Europäer auch von Afrika und seinen Bewohnern lernen können, so seltsam und geradezu widersinnig es auch einem Europäer erscheinen mag, der Afrika nur aus der Presse kennt, die natürlich mit Berichten über mit Kalaschnikoff bewaffnete Kinder (die es ja auch leider gibt!) mehr Aufmerksamkeit erregt - sprich Geld verdient - als mit Berichten über das zivile Verhalten von Menschen, die ja noch nicht mal ein Wasserklosett besitzen!
Genug davon, gestern gab es die gute Nachricht, dass das Festival von Saint-Louis das BujazzO endlich offiziell einladen wird. Dadurch steht unser Tourplan, der zwar sicherlich noch da und dort verändert werden wird, aber auf den wir uns jetzt stützen können. Es wird ein Fest der Kulturen werden, da bin ich mir sicher. Alle meine Partner in Afrika wissen um die Bedeutung unserer Aktion, sie erklären mir, wie wichtig so ein Austausch für sie selbst ist, und ich selber bin gespannt wie ein Flitzebogen, was sich noch über das hinaus, was ich sowieso erwarte, ergeben wird! Wer nicht dabei ist, ist selber Schuld! Für ein paar Tage werde ich den Blog aussetzen, aber bitte, bleibt dabei und checkt mal ab und zu, wenn ich mich erholt habe, werde ich weiter berichten. A bientot!
P.S. Im Anhang noch eine Hymne auf.... Mein Bett!
11 - Mein Bett
Gut, dass es mir gehört! Meine Zuflucht, meine Burg, meine Heimat, meine Geborgenheit, meine einzige ungebrochene Verbindung zur Kindheit, meine Höhle und mein Schloss, und all dies einzig mir! Wie bequem oder luxuriös der Mensch auch reist, nichts vergleicht sich in der Entspannung mit dem erleichterten Sinken in die eigene Schlafstelle, den eigenen Geruch, die eigene, einzigartige und einzig völlig akzeptierte Bakterienbrutstätte und Unsauberkeit der ganzen Welt!
An diesem meinem Ort verbringe ich wie die Mehrzahl der Menschen in dem ihren mit Abstand die meiste Zeit meines Lebens, mein Bett umfängt mich in allen meinen Zuständen der Lust, des Schmerzes, der Verzweiflung, Freude, Langeweile, es ist Gefährte meiner Liebschaften, meines Triumphs und meines Versagens und schlussendlich - so hoffe ich, ähnlich wie die meisten Menschen - meines Todes. Es ist so eng mit mir verbunden, wie sonst nichts Materielles, in und auf ihm gebäre ich mich wie wir alle so ehrlich und ungeschminkt, wie es mir möglich ist. Jedes beliebige Bett der Welt kann das Bett eines beliebigen Menschen und damit zu dem seinen werden, der Ort, an dem es steht ist wichtig, kann aber wechseln, genauso wie das Bett selbst, das dennoch immerdar das Seine bleibt oder eben wird. So eng mit mir und meinen Gefühlen ist mein Bett verbunden, dass es mir oft lieber als menschliche Gesellschaft ist, nimmt es mich doch fraglos in seine bequeme Umarmung und tröstet mich mit seiner Wärme über viele Unwägbarkeiten des Lebens hinweg. Wenn ich mir die Decke über den Kopf ziehe, ist es nahe an der vergessenen Dunkelheit und Wärme vor meiner Geburt und verspricht mir anstrengungsloses Wohlbefinden wie es doch schon seit jeher mein gutes Recht ist!
Wie grausam ist es, dieses Paradies jeden Morgen viel zu früh zu verlassen! Ist es wirklich die Bestimmung eines jeden Menschen, also zum Beispiel die meine, täglich ungewollt die behagliche Molligkeit des einzigen Ortes, an dem er nichts zerstört oder verbraucht außer Sauerstoff, zu verlassen, um unausgeschlafen in den Wettlauf der Effizienz und der Mehrung des Wachstums zu starten, wobei ja sowieso nichts Gutes herauskommt, wie man tagtäglich beobachten kann? Oder sollte man nicht lieber dem Beispiel des Diogenes folgen, dessen Bett in Form eines Fasses zwar sicher nicht jedermanns Sache ist, der aber schon vor Christi Geburt die Weisheit des Liegenbleibens mit Löffeln gefressen hatte, wie man weiß, und der als leuchtendes Vorbild des Nichtstuns immerhin zu weitreichender Berühmtheit gekommen ist. Und wer weiß, wenn ich liegenbleibe, fällt mir vielleicht etwas ein, denn wo wenn nicht im eigenen Bett hätte ich mehr Muße und Gelegenheit, über Gott und die Welt nachzudenken und vielleicht eine gute Idee zu haben? Wenn man sich überlegt, wie viele Genies wahrscheinlich die unglaublichsten Dinge im Bette liegend ersonnen und erfunden haben, kommt man bald in Versuchung, sich überhaupt nicht mehr zu erheben und in aller Ruhe liegenzubleiben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, zu irgend etwas wird es schon gut sein.
Aber halt! Hier zeigt sich eine weitere wunderbare Eigenschaft meines Bettes: Zwar liege ich dort gerne, aber bleibe ich zu lange, dann ist auch wieder nicht recht, weswegen ich dann meistens doch irgendwann aufstehe, und sei es auch nur zur Abwechslung. So richtig ausgeschlafen ist es dann auch eine Freude, den Körper in der Vertikalen zu bewegen, bis man des abends wieder glückselig erschöpft in das vertraute Kissen sinkt. Dieses wünschenswerte Verhältnis zu meinem Bett ist leider, leider äußerst selten, des Öfteren bekomme ich es nicht so häufig zu Gesicht, wie ich es mir wünschen würde, was meine Sehnsucht aber keineswegs schmälert,im Gegenteil.
Ich vermute, fühle, weiß, dass meine Mitmenschen diese Gemeinsamkeit, diese Vertrautheit, diese Gewissheit auf einen Zufluchtsort, den die eigene Schlafstätte darstellt, mit mir teilen, unabhängig davon wo oder wer sie sind. Im Slum in Mumbai hat jeder seine elende, aber doch eben seine Schlafstelle, die er liebt und verteidigt wie der Millionär die fünfzehn Schlafzimmer seiner Luxusvilla, in jeder Behausung und überall steht das Mein-Bett. Welch ein schöner Gedanke, der mich über alle politischen oder religiösen Glaubensgräben hinweg mit allen meinen Mitmenschen verbindet, die wir alle unschuldig in unseren Betten schlafen, vereint in Unbewusstheit und geheimen Träumen.
11.02.2013
Rosenmontag in Guinea-Bissau
Es ist Rosenmontag in Guinea-Bissau und ich sitze schon wieder im Flugzeug nach Dakar, das gleich abheben wird.
Der für mich größte Unterschied der anderen westafrikanischen Länder zu Guinea-Bissau, ist, dass diese überwiegend muslimisch sind, jenes aber hauptsächlich christlich-animistisch ist. Das manifestiert sich am offensichtlichsten durch den überall erhältlichen Alkohol. Natürlich wirft das die uns auch in Europa sattsam bekannten Probleme auf; der Kulturminister sagte mir, dass die Regierung Glasflaschen verbieten will, weil die angetrunkenen Jugendlichen die Flaschen zerdeppern und die Reste als "arme blanche" benutzen, um damit aufeinander loszugehen. Übrigens erinnert mich das daran, was mir mein guter Freund O. erzählt hat. Dieser ist ein weltberühmter plastischer Chirurg, dessen erste Doktorarbeit vor vielen Jahren in Kroatien abgelehnt wurde. Seine These war damals, dass die muslimischen Länder seit Jahrhunderten in Erfindungen und Entdeckungen hinterher hinken, weil in ihnen "alles was trunken macht" verboten ist.... Alles hat eben seine zwei Seiten. Auf jeden Fall beeinflusst der Alkohol die Kultur in Guinea-Bissau sichtlich. Gestern nahm mich Carlos mit zum Sonntagessen seines Cousins, wir kauften zwei Flaschen Wein als Gastgeschenk. Kaum waren wir angekommen, holte unser Gastgeber eine frische Flasche Whisky hervor, der wir schon vor dem Essen zusprechen sollten. Dazu gab es als "Chips" hyperkross gebackene Schweinehaut; dieses Gericht muss zweifellos ein arbeitsloser Zahnarzt erfunden haben. Danach wurde - wir waren gegen Mittag angekommen - getafelt und getafelt; es gab gebratene Schweinestückchen in sehr scharfer Soße, wiederum kross gebackene kleine Fische und ein der brasilianischen Feijoada ähnliches Gericht aus Okraschoten, Reis, scharfer Soße und Fleischstücken, alles sehr lecker. Zwischendurch gab's immer wieder Wein, Whisky und Bier, nur die Frauen tranken Bissapsaft. Als gegen siebzehn(!) Uhr gebackene Austern aufgetragen wurden, gab ich auf und machte mich auf den ungefähr fünf Kilometer langen Weg in die Innenstadt durch die bunte, Karneval feiernde Menge. Das Klima in Guinea-Bissau ist brutal; sehr heiß und gleichzeitig feucht und staubig, wenn man das glauben mag. Folgerichtig und aufgrund des reichlichen Essens sank ich dankbar ins Bett meines gut gekühlten Zimmers. Den Leiter des IF in Bissau konnten wir leider nicht sprechen, aber er hatte Carlos schon zugesagt, ein Konzert mit dem BujazzO auszurichten. Ein Hotel haben wir auch schon für die gesamte Gruppe gefunden, und Carlos versucht, sowohl einen Bus zu organisieren als auch ein Schiff, das uns zur Ilha de Bubaque bringen wird, wo das Abschlusskonzert der Tournee stattfinden soll. Viel mehr war in den drei Tagen nicht zu erreichen, in Guinea-Bissau geht alles seinen Gang, wer versucht, irgend etwas zu beschleunigen, wird das Gegenteil erreichen. So bin ich froh, mit Carlos einen zuverlässigen Partner zu haben, der alle Welt kennt und in alle Bevölkerungsschichten vernetzt ist. Ich freue mich schon auf eine Rückkehr nach Bissau!
10.02.2013
Alaaf!
Das erst Mal war ich in Bissau ganz kurz nach dem über 30 Jahre dauernden Krieg gewesen, der das Land in Elend und Armut getrieben hatte. Seitdem bin ich ziemlich regelmäßig alle zwei Jahre gekommen und konnte so die Veränderung im Zeitraffer betrachten. Das erste, was mir diesmal auffiel, war der Straßenverkehr. Gab es vor zehn Jahren außer den Autos der Regierung nur ein paar Uralt-Taxis, so konnte ich dieses Mal schon bei der Fahrt vom Flughafen den ellenlangen Stau bewundern, der sich täglich auf der Ausfallstraße der Stadt bildet. Die allermeisten Straßen sind nicht asphaltiert. Da die Regenzeit in Guinea von Furcht erregender Urgewalt ist, ähneln die Straßen der Stadt den Pisten der Mountainbiker. Es ist ein Wunder, wie die Einheimischen mit ihren oft altersschwachen Vehikeln, diese Wege bezwingen, oft behindert durch liegengebliebene Fahrzeuge, die mit afrikanischer Improvisationskunst und viel Spucke an Ort und Stelle repariert werden; wo auch sonst, denn Abschleppfahrzeuge gibt es genausowenig wie die Müllabfuhr. Nach dem Krieg waren Stromausfälle so häufig (besser gesagt, es gab so selten überhaupt Strom) dass die Einwohner den scheidenden Strom fröhlich mit "Luz Bye" - tschüss Licht - und das Wiederaufflackern des Lichts mit "Luz Bim" - Willkommen, Licht - begrüßten.
Zwar gibt es immer noch häufig Stromausfälle, aber die Situation hat sich merklich verbessert. Inzwischen ähnelt Guinea wieder viel mehr den anderen westafrikanischen Staaten in ihrer Quirligkeit und der Fröhlichkeit der Bewohner; anders als nach dem Krieg, als alles gelähmt darniederlag und der stärkste Eindruck, den ich damals mitnahm, der leere Ausdruck in den Augen der Kinder war. Im Moment ist Karneval in Bissau, der nach portugiesischer Tradition und mit viel einheimischer Musik gefeiert wird. Schwester Alice, eine brasilianische Nonne des Ordens der "Scolapia", also der Schulschwestern ist die Leiterin des örtlichen Gymnasiums. Ich hatte sie kennengelernt, als Carlos und ich ganz zu Anfang den Papierkrieg um unsere Schule ( Eine Schule für Bissau) geführt hatten, sie hat sich tatkräftig um unser Projekt gekümmert. Es gab ein herzliches Wiedersehen und sie lud mich ein, mir das Karnevalsfest ihres Lyzeums anzusehen. Den ganzen Morgen über präsentierten sich die verschiedenen Ethnien Bissaus in ihren typischen Gewändern und Tänzen, für mich eine unschätzbare Gelegenheit, Rhythmen, Bewegungen und Melodien der einzelnen Volksstämme kennenzulernen. Pepel, Balante, Bijagos, Fula, Manjaco, jede Ethnie hat ihre eigenen Traditionen. Das Ganze wurde von Trommeln und Gesängen begleitet, und die ansteckende Fröhlichkeit ließ mich in Zuckungen verfallen, so müssen meine versuchten Tanzbewegungen für die sich vor Lachen die Bäuche haltenden Guineenser ausgesehen haben...
Nach unserer anstrengenden Wiedersehensfeier am Tag zuvor waren Carlos und ich etwas abgeschlagen, sodass wir uns am Spätnachmittag trennten und uns in unsere jeweiligen Behausungen begaben. Endlich hatte ich mal wieder acht Stunden Schlaf! Gleich geht's weiter zur Hotelbesichtigung für das BuJazzO, und hoffentlich können wir noch den Leiter des Institut Francais treffen, der das Konzert in der Hauptstadt organisieren will. Danach werden wir versuchen, auch die Ilha de Bubaque in den Tourneeverlauf einzubeziehen, es gibt heute also Einiges zu tun. Und das Alles im Karneval von Bissau, Alaaf!
08/09.02.2013
Weißwurst in Dakar
Mit diesem wunderbaren Titel meine ich beileibe nicht mich selbst oder einen meiner Landsleute, nein, ich habe gestern bei meinen Gastgebern tatsächlich Weißwurst gegessen. Allerdings wurde diese nicht gekocht, sondern mit Olivenöl in der Pfanne gebraten, hoffentlich war das kein Sakrileg. Zur Besänftigung eventueller glühender Patrioten, die das Braten als Affront empfinden könnten, füge ich schnell hinzu, dass es dazu süßen Senf und echtes deutsches Weißbier, ungebraten, gab, zusätzlich als Beilage Spaghetti mit Parmesankäse. Es hat himmlisch geschmeckt. Sonst hätte ich auch wirklich Probleme bekommen, denn heute morgen gab es vor dem sehr frühen Abflug nach Bissau erstmal nichts zu essen. Carlos holte mich vom Flughafen ab (schon wieder Grenzmagie, ich bekam anstandslos ein Gratisvisum). Wir haben eine Verabredung mit dem Kultusminister von Bissau. Allerdings kommt der Karneval dazwischen, wir sitzen im Ministerium und warten, dass der Minister die Schönheitskönigin der westafrikanischen Staaten krönt. Kein schlechter Job, und eigentlich auch angenehm für Auge und Herz, wenn mir nicht der Magen bis zu den Schuhen herunterhängen würde, ich musste ihn schon mehrfach wieder hochziehen. Wenn ich doch nur eine Weißwurst hätte, gebraten, gekocht, geraspelt oder püriert, her damit!
Später
Schließlich empfing uns der Minister, der übrigens sehr gut Deutsch spricht, seine Frau war Deutsche und er hat das Fach früher unterrichtet. So war es ein Leichtes, sich mit ihm zu verständigen. Er versicherte uns seiner vollen Unterstützung und gab dem Generalsekretär Anweisung, mit uns zusammen zu arbeiten. Er sagte mir wörtlich: "Wir sind zwar arm, aber wir öffnen unsere Herzen..." Gegen Ende des Gesprächs sprach ich ihn auf das allgegenwärtige Plastik an, erwähnte das positive Beispiel Mauretaniens und bat ihn, darauf einzuwirken, dass auch in Guinea der Verkauf von Plastiktüten verboten werde. Er antwortete mir, dass das entsprechende Gesetz schon auf den Weg gebracht sei, eine gute Nachricht, und dass es übrigens eine mauretanische Firma sei, die das Gros des Profits mit Plastiktüten gemacht habe....so, so. Auf jeden Fall wird das BujazzO mit den afrikanischen Künstlern und seinem Programm hochwillkommen sein. Carlos und ich werden in den folgenden Tagen das Programm für Guinea ausarbeiten und gemeinsam mit dem Generalsekretär in die Wege leiten.
Dann ging es endlich! zum Essen. Carlos und ich hatten uns seit einigen Monaten nicht gesehen, und so feierten wir unser Wiedersehen anständig mit den guineeischen Camaroes, darauf hin gab es Pica, einen der Goldbrasse ähnlichen Fisch und - da Guinea ein überwiegend christlich-animistisches Land ist, trinkt man dort Alkohol - einen guten Brandy oder zwei. Der Abend endete in den sogenannten Barracas, die für den Karneval aufgebaut werden, erst gegen Mitternacht. Schön, schon wieder von Freunden empfangen zu werden!
08.02.2013
Gedanken zur Nacht
Es ist vier Uhr morgens und ich liege wie fast jede Nacht in Afrika wach und versuche, die Eindrücke und Bilder dieser intensiven Reise zu verarbeiten. Heute möchte ich eine andere Geschichte erzählen, die ich vor einigen Jahren auf der indonesischen Insel Lombok erlebt habe. Ich war mit der Fähre aus Bali gekommen und hatte mir ein Moped gemietet, mit dem ich quer durch die Insel auf die andere Seite in den kleinen Ort Kuta geknattert war. Dort angekommen, hielt ich auf der Straße jemanden an und fragte ihn, wie die vorherrschende Musik der Insel heiße und ob ich wohl etwas davon hören könne. Der freundliche junge Mann antwortete mir, dass die traditionelle Musik "Sassak" sei, schwang sich auf meinen Rücksitz und dirigierte mich einige Kilometer durch die Landschaft, bis wir in einem kleinen Dorf ankamen. Dort war gerade auf dem Dorfplatz eine Probe im Gange, etwa 12 Musiker spielten, hauptsächlich auf selbstgebauten Instrumenten, die entfernt der Gitarre ähnelten. Die Musik war sehr rhythmisch und tatsächlich gehörten zur Gruppe einige wunderschöne Tänzerinnen in ihren traditionellen Gewändern. Ein kleines Kinderkeyboard stand unbenutzt dabei und ich fragte, ob ich wohl...? Na klar, war die Antwort (soweit ich verstand; denn Englisch sprach dort niemand und ich musste mich mit den wenigen Worten der Bahasa Indonesia behelfen, die ich im Laufe meiner Reise aufgeschnappt hatte), und so spielte ich mit, so gut ich konnte. Es schien den Kollegen zu gefallen, denn zwanzig Minuten später war die Probe vorbei und ich wurde aufgefordert, zusammen mit ihnen zu einem Gig zu fahren. Ein LKW kam, auf deren Pritsche Verstärker und Musiker geladen wurden, und wir holperten alsbald durch den Dschungel zu einem anderen Ort, wo eine große muslimische Hochzeit stattfand. Am Eingang des Dorfes lag eine frisch geschlachtete Kuh, jeder musste sie berühren, um an ihrer Wärme zu spüren, das sie vor kurzem noch gelebt hatte. Wir bauten neben dem Ziegenstall auf, man servierte uns zu essen, ich bekam das traditionelle Gewand umgeschlungen und schon ging's los. Wir spielten mehrere Stunden, immer wieder unterbrochen von weiteren Essenspausen, bis das örtliche Gamelanorcnester eintraf und übernahm. Die Kollegen luden ihre Instrumente wieder auf den LKW und wollten mit mir zur nächsten Hochzeit fahren, was ich aber ablehnte, weil ich ja eigentlich Urlaub machen wollte. Nach längerem Disput gab es einen herzlichen Abschied und ich kehrte zu meinem kleinen Hotel in Kuta zurück.
Dieses Erlebnis hat mich tief beeinflusst, denn weiter weg von meiner Heimat hätte ich kaum sein können, und hatte nach nur wenigen Stunden eine Möglichkeit gefunden, mit dem, was ich konnte zu überleben und in engen Kontakt mit der Bevölkerung zu kommen. Tatsächlich hätte ich auf der Insel bleiben können, eine Schule aufmachen(wozu ich gleich aufgefordert wurde) und eine Sassak-Karriere starten können. Diese Unabhängigkeit ließ mich mich frei fühlen und ich habe dieses Erlebnis nie vergessen; es hat mir oft über bittere Stunden, in denen ich wieder einmal mit Kleinkrämerei und Missgunst (das kennt jeder Künstler) zu kämpfen hatte; wusste ich doch, ich konnte, wenn ich wollte, einfach überall hingehen und überleben!
Dieses Gefühl der Verbundenheit mit der Bruderschaft der Musiker habe ich auch hier in Afrika. Überall treffe ich hier als Musiker auf offene Herzen und Geister, keine Tür bleibt verschlossen, man nimmt mich auf, mit Geld oder ohne. Gestern Abend habe ich, wie immer, wenn ich in Dakar bin, Ousmane besucht. Der besitzt ein kleines Bürgersteiggeschäft unweit des Institut Francais in der Innenstadt und ist ein Musikweiser mit immensem Wissen über afrikanische Musik sowie einem Blick und Herzen für Talente. Bei ihm habe ich auf einem Kinderspielzeug zum ersten Mal mit Djiby gespielt, den Ousmane behrbergt und verköstigt hatte, als er mittellos aus Burkina Faso gekommen war; den Kopf voller Sterne und dem unbedingten Wunsch, Youssou N'Dour, den berühmten Musiker und jetzigen Minister kennenzulernen. Ousmane hat Djiby geerdet, ihm geraten, nicht irgend etwas hinterherzulaufen, sondern sich auf sein Instrument und seine Musik zu konzentrieren, ein weiser Rat! Ist es ein Wunder, dass ich diesen lächelnden Mann mit seinem schlechten Gebiss mehr respektiere als so manchen aufgeblasenen Möchtegernegroß und Sesselfurzer meiner Heimat? Gedanken zur Nacht....
P.S. Zeit aufzustehen, gleich muss ich zum Flughafen, es geht nach Guinea-Bissau. Ich freue mich besonders auf meinen Freund Carlos Robalo, ein weiteres Exemplar der Spezies Gross und Gut, von dem ich viel über afrikanische Musik gelernt habe und der mich am Flughafen erwartet, da ich kein Visum habe und offensichtlich keins brauche. Wir werden sehen!
06.02.2013
Einige Gedanken zum Turban
In den letzten Tagen habe ich, wie oben schon beschrieben, einen Turban getragen, aus Notwendigkeit, wie alle das in Mauretanien oder anderen afrikanischen Wüstengegenden tun.
Heute während der äußerst strapaziösen, fast siebenstündigen Fahrt mit dem Buschtaxi von Saint-Louis nach Dakar, auf der ich immer wieder eindöste oder mit halb geschlossenen Augen am Sitz klebte, gingen mir einige Gedanken zu diesem Kleidungsstück durch den Kopf. Ich trage das drei Meter lange, sehr leichte Tuch auf die Weise der Tuareg, wie es mir mein Freund Dhafer Youssef vor vielen Jahren gezeigt hatte. Die Mauretanier binden ihn anders, ich hab es mir zeigen lassen, konnte es aber nicht sofort nachmachen und muss es mir wohl nächstes Mal erklären lassen. Jedes Mal, wenn ich das Tuch anlege, sitzt es ein wenig anders, hat andere Falten, passt besser oder schlechter; er ist gleichsam die Chaostheorie oder das Apfelmännchen der Bekleidung, schon das kann man wohl von keinem anderen Kleidungsstück sagen. Er ist sozusagen das Nonplusultra der Kopfbedeckungen, denn mir fällt kein Hut oder Schleier oder irgendeine Kombination der beiden ein, die ähnlich effizient vor brennender Sonne und Staub und Wind schützen. Aber in Wirklichkeit ist der Turban eine Mehrzweckwaffe und kann für alles mögliche dienen. So kann man mit ihm selbst größere Wunden verbinden, man kann damit einen Feind fesseln, ein Reittier anhobbeln, Essen darauf servieren, Menschen, die in einen Brunnen gefallen sind, damit wieder herausziehen, ihn in einem Sandsturm als Führungsleine benutzen, sich damit tarnen (s.o.), ihn seiner Liebsten zärtlich um den Leib schlingen, ihn schließlich als Leichentuch benutzen. In der Tat ist es wohl das vielseitigste und wirklich genialste Kleidungsstück, das der Mensch erfunden hat, ich lasse mich gern korrigieren. Heute jedenfalls hat er mich wieder gegen Hitze und Fahrtwind und allzu neugierige Blicke und Zudringlichkeiten geschützt, gelobt sei mein Turban!
Zur guten Nacht noch einige Aufschriften auf Werbetafeln, die ich heute da und dort in der Wüste aufgestellt gesehen habe:
Hotel Big Faim
Alle Pestizide, die Sie für Aussaat und Ernte brauchen!
Darling, la Coiffure des Stars!
Ach, übrigens bin ich inzwischen überzeugt, dass " Au Bonheur des Dames" entweder ein Schuhgeschäft oder ein Friseursalon ist......
05.02.2013
Zum Frauenglück
Jetzt bin ich wieder in Saint-Louis, und das ging so:
Heute morgen kam wie verabredet Ousmane und kurz darauf sein Onkel. Dieser, ein Taxifahrer, sollte mich zum Gare Routier bringen, wo die Autos nach Rosso abgehen. Er setzte mich in ein Auto, blieb aber daneben stehen; aus gutem Grund, wie sich zeigte, da kurz darauf ein Polizist erschien, ein großes Geschrei losging und ich schon kurze Zeit später wieder in Onkels Taxi saß; da, wie er mir erklärte, der andere Fahrer ein Bandit ohne Lizenz sei, der mich gewiss geschröpft (Onkel sagte, die Kehle aufgeschlitzt, na ja) hätte. Auf jeden Fall fand er einen Freund, in dessen Taxi ich bald darauf saß und zwei Stunden auf die Abfahrt warten musste....Dann aber ging's flott nach Rosso, wo mich wieder Abdul erwartete. Dank dessen bargeldloser Magie brach ich meinen eigenen Weltrekord im Überqueren der mauretanischen Grenze, da ich drei Minuten später schon auf der Fähre stand. Fast(aber nur fast) hätten mir einige Touristen leidgetan, die mich mit gequälten Gesichtern an ihnen vorbeihuschen sahen; genau so wie übrigens die ungarischen Teilnehmer einer Rally Weißichwas. Die waren vor mir in der senegalesischen Grenzstation angekommen und befanden sich in einem großen Disput mit dem dortigen Beamten, was diesem überhaupt nicht gefiel. So nahm er demonstrativ meinen Pass und drückte seinen Stempel hinein, einfach um zu zeigen, dass er das gut kann, aber nicht bei wütenden Rallyefahrern....
Einem geschenkten Gaul...und schon saß ich im nächsten Wagen nach Saint-Louis. Der Vordersitz in diesen Taxis ist der teuerste, weil bequemste. Der war leider schon besetzt, und so nahm ich den zweitbesten Platz, zweite Reihe Fenster - so dachte ich, leider ließ sich das Fenster nicht hochkurbeln, sodass ich ohne meinen Turban sicher nicht gesund angekommen wäre. Nacheinander kamen wie in drei Zollkontrollen, bei denen meine afrikanischen Mitreisenden alle ihre Sachen aus- und wieder einpacken mussten. Mein Toubab-Gepäck blieb unbehelligt, ist doch mal ein Tip für Schmuggler... Im Gedächtnis geblieben ist mir ein einsames Gebäude mitten im senegalesischen Nichts, dessen Neonschild die Aufschrift "Au Bonheur des dames", was auf Deutsch etwa "Zum Frauenglück" heißen mag, trug. Ich komme nicht dahinter, was sich wohl in diesem Gebäude verbergen mag....
Insgesamt dauerte die Reise neun Stunden, und ich war froh, in meinem Hotel in Saint-Louis anzukommen. Dort traf kurz darauf der Koraspieler Ablaye Sissoko ein, der einer der Hauptprotagonisten unserer musikalischen Reise sein wird. Mit ihm habe ich verschiedene Details abgeklärt, und er wird mich, wie abgesprochen, im März in Köln besuchen, um die musikalische Linie auszuarbeiten. Ablaye ist ein "accomplished artist" und ich freue mich schon sehr auf unsere Zusammenarbeit. Gerade habe ich noch ein Dossier für die morgen tagende Programmkommission geschrieben und bin wirklich hundemüde, ein Zustand, der, wie ich bemerke, sich in letzter Zeit immer häufiger einzustellen scheint.
Aber nur Mut! Morgen geht's schon weiter nach Dakar!