02.02.2013
Pharmazie Auweyya
Morgens um neun wartete ich also wie verabredet auf den Fahrer Sidi, der nicht kam. Als ich nach einer Viertelstunde anrief, sagte er, er habe nur auf meinen Anruf gewartet, er sei gleich da. Naja, eine halbe Stunde später kam - nicht Sidi, sondern jemand anders, den er für den Job subkontraktiert hatte. Der brachte mich auf der sehr guten Straße in anderthalb Stunden nach Rosso, dem Grenzflecken am Senegalfluss. Hier gab's das übliche Gequirle und Gewühle, ich ließ mich gleich in die senegalesische Polizeistation treiben, wo ich problemlos meinen Stempel bekam und dann kurz auf Abdul, Alys Cousin, wartete. Gemeinsam fuhren wir in einer Barkasse über den Fluss. Direkt an der Anlegestelle ist die so gefürchtete Grenze. Abdul verschwand mit meinem Pass, und nach zehn Minuten kam er wieder und schon war ich in Mauretanien, ohne einen einzigen Beamten gesehen zu haben; das muss doch eine Art Rekord sein, denn selbst Aly war erstaunt darüber, als ich ihm davon erzählte. Abdul brachte mich zum Gare Routier und setzte mich in ein achtsitziges Fahrzeug, das auch vollbeladen sofort aufbrach. Es war eng, aber gemütlich, neben mir saß ein Afrikaner, der sowas von haargenau wie mein Freund Carlos Robalo aussah, dass ich ihn fragte, ob er vom selben Stamm sei; war aber Fehlanzeige.
Die Gegend, durch die das Taxi nach Nouakchott fuhr, ist absolut desolat, ich frage mich, wovon die Menschen dort leben, wo sie ihr Wasser herbekommen. Auf den ersten fünfzig Kilometern hinter dem Fluss sieht man noch niedrige Bäume, danach nur noch Gestrüpp. Alles ist von dem allgegenwärtigen Sand überzogen, meistens ist es menschenleer. Ab und zu tauchen Siedlungen rechts und links der Straße auf; diese bestehen aus kleinen Backsteinbauten, Wellblechhütten, Beduinenzelten und jeder denkbaren Kombination der drei Behausungsarten. Einige der Ansiedlungen haben brandneue Solarkollektoren, und ich durfte zum ersten Mal ein Beduinenzelt mit Satellitenantenne erblicken, ein etwas zwiespältiges Gefühl. Im Gedächtnis geblieben ist mir die am Straßenrand gelegene Pharmazie Auweyya, die hätte bestimmt auch in Deutschland ihre Kundschaft!
Die ganze Zeit über ließ der Fahrer mauretanische Volksmusik laufen, eine repetitive Musik von großer Kraft und Wildheit. Auf der Fahrt hat sich mir diese Musik ein wenig durch die Landschaft erschlossen, ich fühlte mich entspannt und begriff zur gleichen Zeit die Freundlichkeit und die Härte der hier lebenden Menschen. Europa, Talkshows, Oktoberfest, Mindestlohn, Brüderles Problem - dies sind nur einige der Ideen und Konzepte, die hier absolut keinen Sinn ergeben. Die Wüste gebiert große Krieger, die mit sowenig existieren können, dass westliche Soldaten selbst mit überlegener Ausrüstung und Logistik es schwer haben, gegen diese Menschen in der Wüste zu bestehen, kein Wunder!
Alle paar Kilometer muss man anhalten und an den Polizei- und Militärposten Papiere vorzeigen; alles lief aber höchst korrekt und zivil, die Kontrolleure verabschiedeten mich immer mit einem "Bienvenu au Mauretanie", vielleicht habe ich auch einfach nur Glück gehabt. Gegen halb vier erreichten wir Nouakchott, wo mich der Fahrer an dem Wahrzeichen der drei Strommasten(sind halt drei Strommasten) absetzte. Kurz darauf kam Aly und holte mich ab. Wir fuhren gleich zu Maaloumas Haus, die ein Essen vorbereitet hatte. Ich habe sie nur drei Tage lang kennengelernt letztes Jahr, es war, als wäre ich nie weg gewesen. Maalouma hat ein Klavier und wir haben unser Projekt besprochen und ein wenig gespielt. Sie ist Senatorin und sprach mit mir über ihre Furcht, dass Mauretanien in den Konflikt in Mali verwickelt würde. Diese Dame ist eine Repräsentantin des wahren, des offenen und freiheitlichen Islam! Übrigens erklärte sie mir, dass das Wort Islam selbst von Salam, Frieden, kommt, und alle die, die im Namen des Islam Krieg führen, per Definitionen das Falsche tun. Sie teilt meine Meinung, dass der afrikanische Islam, den ich weiter oben beschrieben habe, der wahre und richtige Weg ist, wenn man denn eine Religion braucht. Obwohl sie selbst arabische und maurische Wurzeln hat, ist sie überzeugt, dass der saudische und generell arabische Islam die falschen Prioritäten setzt, würden doch alle Muslims so denken!
Ich fühle mich sehr privilegiert, den heutigen Tag auf oben beschriebene Weise verbracht zu haben, es ist wunderbar, hier in der Wüste von Menschen einer vollkommen fremdartigen Kultur empfangen und als Freund gesehen zu werden, schon wieder etwas, was man nicht kaufen kann!