04.02.2013 Mauretanischer Tee So langsam fordert diese intensive Reise ihren Tribut von mir ein. Heute morgen war ich ziemlich erschlagen und bin in meiner Herberge geblieben und habe an die Decke geschaut. Mittags wurde ich abgeholt und zu Maaloumas Stiftung gebracht, wo ich mit Ali und Maaloumas Bruder weiter an dem Projekt der Notation der maurischen Musik arbeitete. Schon allein deswegen muss ich wieder nach Nouakchott zurückkommen und werde dieses Projekt dem Goethe-Institut unterbreiten, hoffentlich finden wir dort Unterstützung. Später fuhren wir gemeinsam zu Cheikh Labiat, einem weiteren bekannten Sänger, den ich schon letztes Jahr kennengelernt hatte. Cheikh ist ohne jede Ausbildung, aber unglaublich musikalisch begabt. Er stammt aus dem Westen Mauretaniens, ein Saharaoui mit einer wunderbaren Stimme und untrüglichem rhythmischen Gefühl sowie, man höre und staune, großem harmonischen Einfühlungsvermögen, das er mir auf der Gitarre demonstrierte. Er strahlt die Unmittelbarkeit und Wärme der Wüstenbewohner aus und hat gemeinsam mit Ali den Nachmittag über für mich gespielt. Leider wird Maalouma wohl nicht nach Saint-Louis zum Festival kommen, ich habe stattdessen Ali und Cheikh gebeten, gemeinsam mit uns im Mai in Saint-Louis zu bleiben. Morgen früh geht's wieder zurück nach Saint-Louis, die Zeit scheint nur so davon zu fliegen! Ich werde wohl wieder in ein Taxi nach Rosso gesetzt werden, wo mich ein weiteres Mal Abdul über die Grenze bringen soll. In Saint-Louis erwartet mich Ablaye Sissoko, mit dem ich anderen Tags nach Dakar fahren soll, um an der Konferenz der Programmkommission des Festivals teilzunehmen. Übrigens möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, dass in Mauretanien seit dem ersten Januar diesen Jahres Plastiktüten verboten sind, da können wir uns eine Scheibe von abschneiden (natürlich nicht von der Plastiktüte!). Wie wichtig das für Westafrika ist, wird deutlich werden, wenn ich aus Guinea-Bissau berichte; falls sich dort nichts geändert hat, werde ich die Erde nicht berühren, sondern auf Plastik wandeln; verzeiht die - wenn auch nur geringfügige - Übertreibung. So, bei Cheikh gab's Unmengen des starken mauretanischen Tees, mal sehen, wie lange der mich noch wachhält... A demain! P.S. Heute streikt in Mauretanien das Internet, deshalb kann ich mein Blog wohl erst wieder morgen früh oder im Senegal veröffentlichen, bis dann!
28.01.2013
Quer durch Dakar
Was für ein Tag! Morgens traf ich mich mit Djiby im Goethe-Institut, wo wir gemeinsam mit Prof. Jeismann, dem Leiter, den geplanten Ablauf der Tour besprachen. Dr. Jeismann war sehr hilfreich und wir haben den 22.5. als Konzerttermin in Dakar festgelegt. Da es immer noch äußerst zweifelhaft ist , ob wir nach Mauretanien können, werden Dr. Jeismann und ich nach meiner Rückkehr aus Saint-Louis gemeinsam Monsieur Alban, den Leiter des Centre Culturel Francais in Dakar aufsuchen, den ich schon anlässlich meines Konzerts dort im Oktober kennengelernt habe, um eine Kooperation beider Institute in die Wege zu leiten. Unsere Wunschvorstellung ist eMikes, ein Konzert in Gambia und eines in Ziguinchor zu veranstalten.
Danach sind Djiby und ich zu dem Hotel gefahren, das er für uns ausfindig gemacht hat, La Residence. Es liegt direkt am Meer und ist für uns sehr gut geeignet, sodass ich gleich für unseren Aufenthalt reserviert habe. Inzwischen hatte ich schon richtig Hunger, und tatsächlich hat mich der Sicherheitsmann des Hotels gleich eingeladen, sein Mittagessen, ein leckeres Thiboudienne (Reis mit Kartoffeln und mikroskopischen Fleischteilen) mit ihm zu teilen, wundert ihr euch darüber, dass ich Afrika liebe?
Gleich ging es weiter zu Balde, dem Manager von Ablaye Sissoko, der mit uns die Tour bestreiten soll. Obwohl ich mit Ablaye mehrfach gemailt hatte, hat mir der bescheidene Mensch nicht gesagt, dass er selbst es ist, der die Programmation in diesem Jahr in der Hand hat! Ich nehme deshalb stark an, dass es kein großes Problem sein wird, den Auftritt in Saint-Louis zu arrangieren....
Dazu kommt, dass mich Balde morgen nach Saint-Louis begleiten wird, um mich dem Chef des Festivals vorzustellen und gute Preise bei Hotel und Bus zu erzielen. Ablaye ist leider auf Tour,deshalb werde ich ihn nicht sehen, allerdings kommt er Ende März nach Köln und wird einige Tage bei mir bleiben, um mit mir musikalisch zu arbeiten.
Nächste Station war das Haus von Pape Samory Seck, ganz im Norden von Dakar. Pape kenne ich seit letztem Jahr, ich hatte ihn zu einem Konzert des GlobalMusicOrchestra eingeladen. Er ist ein hervorragender Perkussionist, der zwischen Senegal und Bonn, wo er eine Wohnung hat, hin - und herpendelt, und ich habe ihn für die Tour verpflichtet; ein absoluter Glücksfall, da er nicht nur ein Topmusiker ist, sondern auch fließend Deutsch spricht!
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und Djiby und ich waren von dem ausgefüllten Tag ziemlich erledigt, sodass wir zu unseren jeweiligen Wohnungen zurückgekehrt sind.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, heute hat sich Afrika mir wieder einmal von seiner magischen Seite gezeigt, alle Türen gingen auf und meine Gesprächspartner waren sehr hilfreich, überall hat man mir zu essen gegeben, was kann man mehr verlangen? Sicher wird es auch wieder Hindernisse zu überwinden geben, aber heute war ein Tag, den ich nicht verkaufen möchte! Aber so ist das halt, und wir Musiker wissen es am besten: Alles was wirklich geil ist, kann man nicht kaufen.....
25.01.2013
Modern Life
Heute morgen nun sollte ich aufbrechen zu meiner Reise nach Westafrika. Anfang letzten Jahres hatte mich das Goethe-Institut mit einer einmonatigen künstlerischen Residenz in Westafrika - namentlich Senegal, Mali und Mauretanien - bedacht, und ich hatte diese wunderbare Reise mit dem Ziel verknüpft, eine Begegnung des Bundesjazzorchesters mit afrikanischen Musikern zu ermöglichen. Tatsächlich ergaben sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die mich und meinen Partner im Deutschen Musikrat, Dominik Seidler, ermutigten, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Ich hatte einige herausragende afrikanische Musiker kennengelernt, sowie Unterstützer beim Goethe-Institut, der Deutschen Botschaft und bei offiziellen und inoffiziellen Stellen der afrikanischen Kultur gefunden. Im Mai nun soll eine mit einem Workshop verbundene Tournee durch Westafrika durchgeführt werden, und meine jetzige Reise dient der Vorbereitung.
Durch die politischen Entwicklungen der letzten Wochen ist es leider unmöglich geworden, mit dem Orchester nach Mali zu reisen - welch ein Jammer! Die Hauptstadt Bamako vibriert vor Musik, das Leben ist nicht einfach, aber bei meinem Aufenthalt in Bamako habe ich neben der mehr als ein Jahrtausend alten Kultur einen aufgeschlossenen und fröhlichen afrikanischen Islam erlebt, da geht kein Gedanke in Richtung Scharia oder Burka. Meine Freunde in Bamako beklagen in Telefonaten den Stillstand des täglichen Lebens, der ihnen von den zumeist staatsfremden Invasoren, die im Norden ihr Regime aufbauen, aufgezwungen wird. Meiner Meinung nach haben sich Al Kaida und ihre Unterorganisationen strategisch ausgesprochen clever in eine Gegend der jahrhundertealten knüppelharten institutionalisierten Nord-Süd-Ausbeutung begeben, um ihre Vision eines Gottesstaates unter einem - wenn auch sehr fadenscheinigen, jedoch mit reichlich Geld islamistischer Ölemporkömmlinge finanzierten - Banner des Abwurfs des Jochs der Unterdrückung in ihre freudlose Ausübung zu überführen, mit Schleier, Händeabhacken und gleichzeitigem Beten, effektiv und schleimig, pfui Teufel!
Ich bin gespannt, wie sich die Situation nach meinem letzen Besuch in Westafrika nun darstellt. Mauretanien will ich wieder besuchen, obwohl nicht klar ist, ob wir mit dem Orchester dorthin reisen können, das werde ich erst nach meinem Aufenthalt wissen. Aber ich möchte die Sängerin Maalouma und ihren Gitarristen Ali Ndao wiedersehen und sie in unser Projekt einbinden. In Saint-Louis im Senegal werde ich unter anderem den Koraspieler Ablaye Sissoko besuchen und in Dakar den Balaphonisten Djiby Diabate. Schlussendlich fliege ich von Dakar nach Guinea-Bissau, wo mein Freund Carlos Robalo uns den Weg bereiten wird, In'ch Allah, so muss man in Westafrika sagen.
Zur Zeit ist mein Freund Heiner Wiberny in Dakar und arbeitet zusammen mit dem Goethe-Institut und afrikanischen Musikern über den Jazz im Dreieck Afrika - Amerika - Europa, sodass er gemeinsam mit den senegalesischen Musikern unter anderem Bebopstücke übt und aufführt, das finde ich gut! Heute Abend ist sein Abschlusskonzert im "Just for You" in Dakar, da wären doch gerne einige von uns dabei, nicht wahr?
So auch ich, aber leider soll mein Flugzeug erst gegen Mitternacht ankommen, so dass ich Heiner und seine Frau Ulla erst am Samstag Abend zu einem Abschiedsessen sehe, so dachte ich.
Denn heute morgen bin ich zwar aufgebrochen zu meiner Reise, diese wurde aber gleich schon am Flughafen Düsseldorf wieder unterbrochen. Entgegen der Versicherung der Hotline (warum glaube ich eigentlich perfekt Deutsch sprechenden Indern in Bangalore, die 8000 km vom Schuss entfernt sitzen? Selber Schuld!) beeinträchtigte der Streik des Sicherheitspersonals den Betrieb des Flughafens dermaßen, dass alle Passagiere "meiner" Maschine an einem privilegierten Platz vor einer Schuhboutique (Boots, die aussehen wie meine Hausschuhe, für 220 Euro; und noch nicht mal mit Fußbett, sagte die Dame neben mir zu ihren beiden Freundinnen) zusammengetrieben wurden, wo man uns fünf Minuten vor geplantem Abflug mitteilte, dass der Pilot die Nase voll hätte und jetzt mit leerer Maschine nach Madrid abheben würde, adios. Naja, ganz so hat man uns das nicht gesagt, obwohl die nette Spanierin vor mir meinte, dass das gestern genauso gewesen wäre und sie jetzt aufgeben und bis Montag in Düsseldorf bleiben würde. Wie wir schließlich wieder an unsere Koffer und dann trotz Notarzteinsatzes an den Gleisen der Bundesbahnstrecke Düsseldorf - Köln wieder an Orte der Vernetzung kamen, will ich meinen Lesern ersparen. Jedenfalls sitze ich jetzt voll für meine Reise gerüstet wieder auf meinem Sofa und denke mir, wer weiß wofür's gut war. Morgen probier ich's wieder, aber dann von Frankfurt.